Pausbäckige Engel in einer reich ornamentierten Stuckdecke, goldene Strahlenkränze, wuchtige Orgelprospekte – das erwartet man nicht unbedingt in evangelischen Kirchen, denen eine eher zurückhaltende Innenarchitektur nachgesagt wird. Die Markgrafenkirchen sind der Beweis, dass auch lutherische
Fürsten nicht mit repräsentativer Ausstattung der Gotteshäuser in ihrem Herrschaftsbereich sparten. Sicher als Teil des eigenen Machtanspruchs, bisweilen auch als Antwort auf die Prachtbauten der Fürstbischöfe in der Nachbarschaft.

Rund anderthalb Jahrhunderte nach Luthers Thesenanschlag in Wittenberg bildete sich ein Stil heraus, für den Karla Fohrbeck den Begriff Protestantischer
Barock" prägte. Die ehemalige Nürnberger Kulturreferentin, die zusammen mit Bayreuths Regionalbischöfin Dorothea Greiner den ersten Tourismusführer zu 50 Markgrafenkirchen im Raum Bayreuth und Kulmbach herausgegeben hat, spricht von einer "eigenständigen Kunstschöpfung", die sich der
kleine Fürstenhof im Herzen des heutigen Regierungsbezirks Oberfranken geleistet habe. Und Regionalbischöfin Greiner schätzt die barocken Sakralbauten gar als "unentdecktes geistliches Kulturgut von europäischem Rang".

Pfarrer Hans Peetz, langjähriger Bayreuther Dekan und Projektleiter von "Markgrafenkirchen entdecken", hat bis jetzt rund 130 Gebäude erfasst, darunter etwa 80 quasi "rein - rassige" Kirchen, die während der Regentschaft der in Kulmbach, Bayreuth und zuletzt Ansbach residierenden Fürsten errichtet wurden.

Herausragende Markgrafenkirche in Bayreuth und Kulmbach

Zu den herausragenden Bauten gehören die prächtig ausgestattete Ordenskirche im Bayreuther Stadtteil St. Georgen und die Dreifaltigkeitskirche
in Neudrossenfeld (Landkreis Kulmbach) ebenso wie hinter eher unauffälligen Fassaden die Dorfkirchen in Melkendorf oder Wonsees. Konfessionelles Kuriosum ist die Bayreuther Schlosskirche, die seit 1810 der katholischen Gemeinde gehört und in der sich die Gruft des vielleicht bekanntesten – und
evangelischen – Markgrafenpaars Friedrich und Wilhelmine befindet.

Als "Mutter" der oberfränkischen Markgrafenkirchen gilt die Bayreuther Stadtkirche, in deren Fürstengruft die Regenten von 1620 bis 1733 bestattet wurden. Der eigentliche "Bauboom" begann indes erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, als es um den Wiederaufbau der im 30-jährigen Krieg zerstörten oder schwer beschädigten Kirchen ging. Fürstenhof wie auch Gemeinden investierten nach Kräften in die Gotteshäuser. Markgrafen und Adel eiferten nicht nur dem Prunk absolutistischer Herrscher wie Ludwig XIV. nach. In ihrer Reform- und Landespolitik nahmen sie ihre Verantwortung auch als geistliche Obrigkeit ernst.

Wer die Markgrafenkirchen plante und erbaute

So kam es, dass besonders die Bayreuther Markgrafen ihre Hofarchitekten und Künstler, die sonst mit dem Bau von Residenzen und Prachtbauten wie dem 1748 eröffneten Opernhaus (seit 2012 UNESCO Weltkulturerbe) oder der Eremitage beschäftigt waren, auch mit der Planung und Ausstattung der Kirchen in Stadt und Land beauftragten. Am Werk war die europäische Elite ihrer Zeit, und dabei sah man über konfessionelle Unterschiede hinweg.

"Katholische, oft italienische Hof-Stuckateure, die teils schon für Ottobeuren oder Würzburg tätig waren, schenkten vergoldete Symbolik, farbige Blumen- und leichte Engel-Fröhlichkeit", schreibt Fohrbeck, "und regionale, aber vom Markgrafen privilegierte und zumeist protestantische Handwerker sorgten für kreative Bodenständigkeit und bäuerlich vitale Lebensfreude." Nicht immer übrigens zur Freude von pietistischen Hofgeistlichen wie Johann Christoph Silchmüller, der die Verschwendungssucht des Regentenpaars Friedrich und Wilhelmine scharf kritisierte und deshalb entlassen wurde.

Was ist typisch für den "protestantischen Barock" der Markgrafenkirchen?

Was aber macht das Besondere an diesem "protestantischen" Barock aus? Ein Markenzeichen ist der Kanzelaltar im Chorraum, den der Architekt Joseph Furttenbach (1591-1667) in seinem Standardwerk "KirchenGebäw" als idealtypisch beschrieb. Zusammen mit der Grundform eines Saalbaus und umlaufenden Emporen, die allen Kirchgängern eine Sitzgelegenheit ermöglichen sollten, war Zweck des Kanzelaltars der ungehinderte Blick von
allen Plätzen auf den Pfarrer – "und vielleicht auch umgekehrt", wie Peetz augenzwinkernd anmerkt. Charakteristisch auch die frei stehenden
Taufengel: Die meist lebensgroßen Figuren, die eine Wasserschale tragen, betonen den Stellenwert des Taufsakraments.

Fast allen Markgrafenkirchen gemeinsam ist der "offene Himmel" an der Kirchendecke. Oft ist es ein goldener Strahlenkranz mit dem Dreieck
als Symbol der göttlichen Dreieinigkeit im Zentrum oder eine Deckenmalerei mit einer Darstellung von Auferstehung oder Himmelfahrt
Christi.

Peetz zufolge bedeutet das eine von der Aufklärung beeinflusste Abkehr von der mittelalterlichen Passionsfrömmigkeit: "Hier geht es vor allem um die Erlösung, um Glanz und Herrlichkeit" – und um ein wenig Abglanz für die Markgrafen oder die adeligen Herrschaften, die sich mit ihrem Wappen an prominenter Stelle auch ein Denkmal setzen.