Der evangelische Pfarrer Hans Zeller war bis 2018  für die Kontakte der bayerischen Landeskirche nach Lateinamerika zuständig. Durch seinen persönlichen Einsatz füllte er die Partnerschaften beispielsweise mit Brasilien, El Salvador oder Nicaragua mit Leben. Seit seiner Pensionierung ist Zeller ehrenamtlich tätig. So hilft er, in San Salvador ein Traumazentrum aufzubauen.  Finanziert wird das Zentrum von der kirchlichen Stiftung Wings of Hope.  In seinem Bericht schildert Zeller die Erfahrungen mit Migration, Flucht und Vertreibung.

"Ich bin aus Deutschland nach Zentralamerika gereist im Auftrag von Wings of Hope. An der Grenze zu Honduras werde ich mit Werbematerial für die schönsten Urlaubsziele ausgestattet. Herrliche Strände und grüne Nationalparks mit einer großen Artenvielfalt werden angepriesen. Bei der Fahrt nach San Pedro Sula sehe ich in der Tat viele Bananen- und Palmenplantagen am Straßenrand, aber mir fällt auch auf, dass es viele Straßenkontrollen gibt. Es weist aber nichts darauf hin, dass sich hier tausende Menschen in einer "Karawane" auf den Weg gemacht haben sollen, die an der Grenze zur USA in der mexikanischen Stadt Tijuana vorerst endete und internationales Aufsehen erregte.

Auf den ersten Blick ist nicht sichtbar, dass Honduras durch kriminelle Banden eines der gefährlichsten Länder der Welt ist. Es ist auch nicht spürbar, dass Honduras zu den Regionen der Welt gehört, die am meisten vom Extremwetter betroffen sind. Erst die Lebensgeschichten der einzelnen Personen beschreiben die Situation der Menschen in dem Land.

 

Junge Frau bereitet Tortillas in Honduras
Junge Frau bereitet Tortillas zu in La Ceiba, Honduras.

Besy Vargas kümmert sich um Geflüchtete

Besy Vargas ist für die Diakonie in der Evangelischen Kirche in Honduras zuständig. Sie lebt in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa und wohnt in einer ärmeren Region der Stadt, genannt Villa Nueva - neuer Stadtteil. Ihre Nachbarin Maria Valadares (Name geändert) ist mit ihren vier Kindern im Alter von drei, fünf, sieben und neun Jahren mit dem Bus nach San Pedro Sula gefahren, um an der Karawane teilzunehmen. "Ihre Familie kam aus dem Innern des Landes, und sie haben sich in der Stadt ein besseres Leben erwartet. Jung heiratete sie, aber inzwischen wurde sie zur alleinerziehenden Mutter.

Sie war verzweifelt und sah für sich und ihre Kinder keine Zukunft mehr in Honduras", betont Besy Vargas. "Als Buchhalterin fand sie keine Arbeit. Mit Gelegenheitsarbeiten, wie Anfertigen von Tortillas, hielt sie sich über Wasser, aber das reichte nicht, um die Schule für die Kinder zu bezahlen", fügt Besy Vargas hinzu. "Die Menschenkarawane gibt einen gewissen Schutz für sie und ihre Kinder", denke ich.

"In den Vereinigten Staaten von Amerika erhofft sie sich eine bessere Zukunft für ihre Kinder, denn in Honduras gibt es wenige Arbeitsplätze und Jugendliche sind besonders in der Gefahr in die kriminellen Banden hinein zu geraten", erklärt Besy Vargas. "Auch Menschen mit einem Studium bekommen keinen Job, und Schuld daran ist vor allem die Regierung, die nur an ihren eigenen Vorteil denkt", erfahre ich von Marvin Figueroa, Psychologe, und für ihn ist klar, dass für viele junge Leute die Banden und Gangs deshalb sehr attraktiv sind. Häufig sind es Zurückgekehrte aus den Vereinigten Staaten, die dort ihr Glück suchten, aber von der Regierung ausgewiesen werden und sich anschließend in kriminellen Banden in den Ländern El Salvador und Honduras zusammenschließen.

 

Pfarrerin Irma Blanca Rodriguez berät Geflüchtete in Honduras
Pfarrerin Irma Blanca Rodriguez berät Geflüchtete in Honduras

Bischof Gomez spricht von sozialer Bewegung

Der evangelische Bischof in El Salvador, Medardo Gomez, spricht von einer "sozialen Bewegung", wenn er auf die Banden zu sprechen kommt. Naheliegend ist, dass er das zynisch meint, aber nicht nur: sind diese Mörderbanden doch die einzige gesellschaftliche Gruppe, in der Zurückkehrende und Ausgewiesene oft Aufnahme, Gemeinschaft, Zugehörigkeit und Identität finden – um zu erpressen, notfalls mit Gewalt, und damit ihr Überleben zu sichern.

Der Lutherische Weltbund ist in der Region aktiv und unterstützt die evangelischen Kirchen in El Salvador und Honduras mit einem Migrationsprogramm. "Die Menschen werden über die Gefahren, die es auf dem Weg in die USA gibt, aufgeklärt. Aber auch Zurückkehrende, die von Mexiko oder den Vereinigten Staaten aus abgeschoben werden, können mit der Unterstützung der Kirche rechnen," erklärt Pfarrerin Irma Blanca.

Sie ist die Verantwortliche für das Programm und spricht über die Probleme, die die Menschen haben, wenn sie zurückkommen. "Die Familien sind zerrissen, da häufig ein Teil der Familie es schafft, in das Paradies "USA" zu kommen, andere wiederum werden zurückgewiesen". "Enorme seelische Verletzungen hinterlassen die Gewalterfahrungen bei der Reise in das "Paradies" Nordamerika. Die Ärmsten der Armen erzählen von Erniedrigungen, Überfällen und Entführungen," berichtet die Beauftragte für Migration in El Salvador.

Martina Bock berät eine Gruppe in El Salvador
Martina Bock berät eine Gruppe in El Salvador

Stiftung Wings of Hope gründet Traumazentrum

Die evangelischen Kirchen in El Salvador und Honduras haben deshalb mit Hilfe der Stiftung "Wings of Hope" der Bayerischen Landeskirche für die Mitarbeitenden, Pfarrerinnen und Pfarrer ein Trauma-Ausbildungsprogramm begonnen, damit sie Menschen, die oft nur noch in den Banden ihre Identität finden, von den Gewalterfahrungen geprägt sind und damit weiteres Unheil anrichten, unterstützen können mit ihrer "inneren Finsternis" umzugehen.

"Die Nichtverarbeitung der Gewalterfahrungen und Perspektivlosigkeit hinterlässt vor allem seelische Wunden, so dass die Menschen in ihrer Arbeit, in ihren sozialen Beziehungen und im gesellschaftlichen Miteinander nicht mehr zurechtkommen," analysiert Martina Bock von "Wings of Hope" die Situation.

Jorge Hernandez, der nach einer langen Phase des inneren Widerstands der psychologische Behandlung durch "Wings of Hope" zustimmte, gibt der Analyse recht: "Unsere seelischen Verletzungen durch die Gewalterfahrungen bringen es mit sich, dass wir nur die gewalttätige Lösung eines Konflikts kennen, und sie wird in El Salvador und Honduras ständig gelebt, deshalb gehören wir zu den Ländern mit den höchsten Mordraten der Welt. Ich bin sehr dankbar, dass wir mit Traumabearbeitung durch "Wings of Hope" ein Zeichen der Hoffnung für unsere jungen Menschen setzen können."

"Wenn die Gewalt in zentralamerikanischen Ländern zurückgeht, wird es auch wieder eine Lebensperspektive in den Ländern Zentralamerikas geben", betont Helena Cedillo vom Lutherischen Weltbund und wünscht sich von der Arbeit von "Wings of Hope" in Zentralamerika, dass sie in den Schulen und gesellschaftlichen Gruppen Aufklärung betreiben kann, um damit den gesellschaftlichen Frieden zu fördern.