Die erste Vorsitzende des bayerischen Pfarrer- und Pfarrerinnenvereins, Corinna Hektor, hat die aktuellen Reformprozesse in der evangelischen Landeskirche kritisiert. Die Kirche entwickle sich "von einer Volkskirche hin zu einem Service-Trupp, der auch Events veranstaltet", sagte Hektor in ihrem Vorstandsbericht bei der Frühjahrsversammlung des Vereins am Dienstag in Rothenburg ob der Tauber.

Die biblischen Bilder von der Kirche sehen etwa nach Paulus die Mitglieder als "Glieder am Leib", doch heutzutage sei "die leitende Idee eher ein Service-Unternehmen", bei dem man als Kunde Leistungen einkaufen könne.

Keine idealen Bedingungen vor Ort

Die Landesstellenplanung als zentrales Instrument zur Verteilung der Pfarrpersonen und Besetzung anderer kirchlicher Stellen im Land schaffe eben keine "idealen Bedingungen" für die Arbeit vor Ort, monierte Hektor, sie betreibe vielmehr "Mangelverwaltung". Man werde so zwar "flexibler", verliere aber "etwas Wesentliches": Man tue sich daher schwer, Menschen zu vermitteln, "dass wir für sie da sind".

Zwar könnten auch punktuelle Begegnungen mit Menschen - an wichtigen Lebensstationen wie Taufe und Hochzeit oder im Urlaub - etwas bewirken. "Aber Beziehung braucht Gesichter, Orte und Menschen, die da sind, zuverlässig", erläuterte Hektor.

Erschreckende Nachwuchs-Zahlen

Besorgt zeigte sich Hektor auch über die "erschreckenden" Nachwuchs-Zahlen in kirchlichen Berufsfeldern. Selbst diese seien im Prinzip noch geschönt, erläuterte die Vereinsvorsitzende:

"Wenn man sie bereinigt um diejenigen, die ihre Ausbildung abbrechen, ein Theologiestudium nur zum Warten nutzen oder einen anderen Arbeitgeber finden, werden sie noch unerfreulicher."

Im Wintersemester 2021/2022 seien die Studierenden an der Uni Erlangen im Hebräischkurs zu zweit gewesen - ein Jahr zuvor seien es wenigstens noch vier oder fünf gewesen. Kirchliche Berufe müssten attraktiver werden, die Gehaltsfrage sei da nur ein Faktor.

Scharfe Kritik an Evangelischem Campus Nürnberg

Scharfe Kritik äußerte Hektor auch am Großprojekt Evangelischer Campus Nürnberg (ECN). In der früheren Oberpostdirektion soll ein evangelisches Zentrum entstehen, in dem verschiedene Dienste und Einrichtungen ein Zuhause finden sollen. "Die Kosten werden auf über 200 Millionen Euro steigen", die Landessynode habe eine Kapitalerhöhung beschlossen, sagte Hektor und fragte:

"Welches Bild von Kirche erzeugt das Projekt?"

In Zeiten, in denen Kirchengemeinden "geliebte und genutzte" Immobilien wegen zu hoher Unterhaltskosten verkaufen sollen, sei das nur schwer vermittelbar, befand die Vereinsvorsitzende.

Kommentare

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PeterG am So, 30.04.2023 - 12:56 Link

Die Kritik des Vereins ist richtig und berechtigt. Ich frage mich allerdings, wo denn die Kritik an PuK in den letzten Jahren war? Das, was wir jetzt erleben, wurde von langer Hand vorbereitet.