Die bayerische Landessynode diskutiert ab dem 30. März unter anderem über den Umgang mit queeren Paaren. Zentral sind dabei die Fragen, ob Pfarrer sich aus Gewissensgründen weigern dürfen, Segnungen vorzunehmen und ob ein Schuldbekenntnis für frühere Diskriminierung nötig ist und ob es eine evangelische Trauung für queere Menschen gebe soll.
Die Evangelische Jugend Bayern fordert ein Schuldbekenntnis, die Trauung für alle und die Abschaffung des Gewissensschutzes. Drei weitere Eingaben gehen in eine ähnliche Richtung. Der Arbeitskreis ABC fordert hingegen die Beibehaltung des Gewissensschutzes und lehnt gleichgeschlechtliche Trauungen ab.
In unserem Pro und Contra geben wir beiden Seiten die Möglichkeit, ihre jeweiligen Standpunkte zu erläutern.
Pro: Gewissensfreiheit in Gefahr
Gewissensfreiheit – das ist eine der großen Errungenschaften der Neuzeit. Es war bahnbrechend, als Martin Luther im Jahr 1521 vor dem Reichstag in Worms stand und sich auf sein Gewissen berief: "Und solange mein Gewissen in Gottes Worten gefangen ist, kann und will ich nichts widerrufen, weil es unsicher ist und die Seligkeit bedroht, etwas gegen das Gewissen zu tun. Gott helfe mir. Amen."[1]
Für Martin Luther ist das Gewissen keine freischwebende Größe, sondern an Gottes Wort gebunden. Gegen dieses an Gottes Wort gebundene Gewissen konnte und wollte er nicht handeln.
Nun gibt es einen Antrag an die Landessynode der Ev.-Luth. Kirche in Bayern, den Gewissensvorbehalt bei Segnungen homosexueller Partnerschaften abzuschaffen.
Konkret: Wenn ein homosexuelles Paar aus meiner Gemeinde zu mir kommt und gesegnet werden möchte, kann ich mich im Moment auf mein Gewissen berufen, dem Paar erklären, warum ich ihrem Wunsch nicht nachkommen möchte, und die Segnung ablehnen. Das Paar hat dann die Möglichkeit, sich mit seinem Anliegen an den Dekan zu wenden.
Wenn dem Antrag an die Landessynode stattgegeben wird, wird es zu meinen Dienstpflichten gehören, die Segnung eines homosexuellen Paares durchzuführen – genauso, wie ich für ein Paar, das kirchlich heiraten möchte, einen Traugottesdienst zu halten habe. Außer natürlich, es sprechen schwerwiegende Gründe dagegen.
Der erwähnte Antrag macht mir Not. Bei meiner Ordination wurde ich auf Schrift und Bekenntnis verpflichtet. In der Heiligen Schrift finde ich keine Stelle, in der homosexuelle Praxis gutgeheißen wird. Ganz im Gegenteil. Es wird sogar darauf hingewiesen, dass Menschen, die homosexuell leben, nicht ins Reich Gottes kommen werden.
Ich nehme diese Warnung ernst. Wenn ich die Segnung eines homosexuellen Paares ablehne, dann tue ich es nicht, weil ich moralische Vorbehalte habe. Es geht mir um die Menschen, die ich vor mir habe. Ich möchte sie nicht in einem Verhalten bestärken, das von Gott wegführt und sie von seinem Reich ausschließt. Die Liebe zu diesen Menschen gebietet mir, nicht den bequemen Weg zu wählen, nachzugeben und zu tun, was sie möchten, sondern ihnen aufzuzeigen, welche Folgen ihr Handeln gemäß dem Wort der Heiligen Schrift hat.
Genau deswegen lässt mein Gewissen es nicht zu, einem homosexuell lebenden Paar Gottes Segen zuzusprechen. Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen, heißt es in der Apostelgeschichte (5,29).
Es erschließt sich mir nicht, weshalb ausgerechnet in der Kirche der Reformation die individuelle Gewissensentscheidung nicht länger respektiert werden soll.
Pfarrerin Ingrid Braun, Weiltingen, 3. Vorsitzende des Arbeitskreises Bekennender Christen in Bayern (ABC)
[1] zitiert nach Martin Brecht, Martin Luther, Bd. 1: Sein Weg zur Reformation, Stuttgart 21983, S. 439.
Contra: Geliebt, geachtet, gleichgestellt – für eine diskriminierungsfreie Kirche, die alle liebt!
Gemeinsam mit drei weiteren Eingaben an die Landessynode hat die Evangelischen Jugend in Bayern vor einiger Zeit mit den wohl umfassendsten Forderungen einen Diskussionsprozess in der ELKB angestoßen. Wir fordern unter anderem ein Schuldbekenntnis der kirchenleitenden Organe wegen ihres Umgangs mit queeren Menschen, die Trauung für alle und einen anderen Umgang mit dem Gewissensschutz für Pfarrer:innen bei Eheschließungen von queeren Paaren.
Schließlich fällt uns schwer anzuerkennen, dass Menschen, die sich in ihrem Job Gott verpflichten, die Schöpfung nicht in ihrer Vollkommenheit erkennen. Es ist nicht nachvollziehbar für uns, wie sich Pfarrer:innen herausnehmen können, zwischen guter und schlechter Liebe zu unterscheiden.
Wichtig ist aber, dass es uns nicht um die Abschaffung des Gewissenschutzes an sich geht, sondern vielmehr um die Frage, wie wir eine diskriminierungsärmere Kirche werden können, die einladend für alle Menschen ist?
Googlen Sie mal "Homosexuelle Ehe ELKB". Das zweite Ergebnis, zumindest bei meinen Suchergebnissen, ist die 2019 veröffentlichte Handreichung zum Thema. Hier findet sich folgender Satz: "dass es gute theologische Gründe für und gegen eine öffentliche Segnung gleichgeschlechtlicher Paare geben kann".
Beim Lesen stellt sich mir die Frage, wie sich unsere Landeskirche positioniert: für oder gegen die Ehe von homosexuellen Menschen. Solche Passagen diskriminieren und schließen aus. In der Evangelischen Jugend leben wir dagegen einen sehr offenen Umgang, leider musste ich aber schon häufiger dasselbe Gespräch führen. Queere junge Menschen, die sich bei uns sehr wohlfühlen, berichten, dass sie sich später keine Zukunft in der Kirche vorstellen können. Dazu tragen solche Texte bei, sie bestärken das Gefühl, nicht gewollt zu sein und sollten umgehend gelöscht werden.
Sollte eine Pfarrperson eine homosexuelle Ehe nicht schließen wollen, werden wir das bedauerlicherweise im Einzelfall akzeptieren müssen. Wir sollten diese aber verpflichten weiterzuvermitteln, damit jede Liebe vor Gott bezeugt und gesegnet werden kann. Darüber hinaus stehen wir dazu und arbeiten weiter daran, bis es alle verstanden haben: Gott liebt queere Menschen. Queer zu sein ist nicht gegen Gottes Willen oder gar Sünde. Der Mensch ist von Gott in seiner Vollkommenheit geschaffen und bedingungslos geliebt.
Benedikt Kalenberg, Mitglied der Landesjugendkammer in der Evangelischen Jugend Bayern
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Beide Standpunkte überzeugen…
Beide Standpunkte überzeugen mich in ihrer Selbstgewissheit und ihrem Eiferertum so gar nicht. Ja, es gibt keine Lobpreisung der Querness in der Bibel, aber ein unbedingtes Liebesgebot zu Gott und der Schöpfung gerade auch dann, wenn es nicht so leicht ist (sich und die seinen zu lieben ist leicht, das können sich alle hetero, queeren oder sonstigen Wesen etwas hinter die Ohren schreiben). Eine tiefe Verdammnis der Queerness oder gar des Segens steht aber auch nirgends geschrieben und in der Evangelischen Kirche gelten auch nicht die israelitischen Eheregeln von vor 2000 Jahren. Andererseits Pfarrer gegen ihr Gewissen auszurichten zeugt von einem autoritären sklavischen Geist, der jedem tapferen Sünder ein Greuel sein sollte. Der Mensch ist frei zu aller Dummheit und braucht Zuspruch und Gnade keine Knute gerade jetzt. Ein Androhen einer Umerziehung zum Guten zeugt von jugendlicher Lebensunerfahrenheit und Anlehnung an finstere Zeiten. Da läuft in der EJOTT offenbar gerade einiges daneben. Braucht es ein Schuldbekenntnis? Ich denke schon. Wenn Betroffene aus der noch gar nicht so vergangenen Vergangenheit in der Kirche offen berichten, was aufgrund der Stimmung außen wie innen eher selten ist, so tun sich Abgründe auf, die an der Gottesgegenwart in der Kirche ernsthafte Zweifel aufkommen lassen und an den Mitgeschwistern im Glauben, die vermeintliche Gesetze über das Liebesgebot und die Menschen stellten und stellen auch. Also eine aufrichtige Beichte vor Gott und vor allem den Menschen täte uns, die wir ja Teil dieser Gegenwart und Vergangenheit sind, sicher gut und hoffentlich auch den Opfern unserer Vorurteile und Menschenunfreundlichkeiten. Veränderungen beginnen im eigenen Finster. Für mich ist das Hochhaengen der biblischen Sexualmoral oder was man dafür hält sowieso fremd. Es war für mich nie Kern der religiösen Botschaft und Sozialisation wer, was, mit wem im Kammerl macht. Auch wenn Sex der Bibel nicht fremd ist, so geht es in den Texten kaum oder nur am Rande um die moralische Bewertung. Dort wo er problematisch angesprochen wird geht es vielmehr um die destruktiven Begleiterscheinungen wie Eifersucht und Gewalt, Besitzdenken, Untreue und Egoismus. Das ist aber keinen Menschen in welcher Beziehung auch immer fremd.
Und ABC? Was ist das für…
Und ABC? Was ist das für eine Selbstueberhoehung? Sind dann alle übrigen Christen nichtbekennend und damit irgendwie 2. Klasse? Wenn es für christliche ABC-Schuetzen steht, so lasse ich es mir gefallen. Denn die Letzten werden bekanntlich die Ersten sein und solch Bescheidenheit würde Gott wohl gefallen ansonsten kräht bald der Hahn.