An den sieben August-Hermann-Francke-Schulen in Detmold, Lage und Lemgo werden bewusst keine homosexuellen Lehrkräfte eingestellt und der Geschäftsführer verteidigt diese Entscheidung im Gespräch mit der "Lippischen Landes-Zeitung" auch noch mit harschen Worten.

Diskriminierung von queeren Lehrkräften ist sicherlich nichts Neues, man sollte jedoch meinen, dass heutzutage sowohl moralische als auch gesetzliche Grundlagen so etwas nicht mehr zulassen. Wozu gibt es schließlich das Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz und im Bewerbungsprozess 2006 ins Leben gerufen wurde?

Gleichbehandlungsgesetz

In § 1 AGG heißt es ganz direkt: "Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen […] der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen." Ein klares Ziel, klar verfehlt. Und zwar wegen der sogenannten Kirchen-Klausel, eine Ausnahmeregelung mitunter für Bekenntnisschulen. (§9 AGG)

So kann sich also der Geschäftsführer des Christlichen Schulvereins Lippe in NRW, Peter Dück, hinstellen und sich stolz auf sein Selbstbestimmungsrecht beziehen, wenn er klarmacht, dass es einfach nicht passe, dort zu arbeiten und homosexuell zu sein.

Dass der Titel der Ausnahmeregelung "Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung" heißt und gar nicht die sexuelle Identität an sich erwähnt, ist dabei egal. Und, dass die Fähigkeit zur Vermittlung christlicher Werte rein gar nicht vom Geschlecht des Lebenspartners abhängt, auch.

"Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen" (§9) scheinen einen Freifahrtschein zur Diskriminierung zu haben, den die sieben August-Hermann-Francke-Schulen nutzen. Welch Glück für sie, dass 2023 eine Reform des AGGs diesbezüglich zwar gefordert, aber noch nicht umgesetzt wurde.

Evangelische Allianz

Die Weltanschauung, hinter der sich Peter Dück versteckt und mit der er seine Aussage begründet, ist in den Leitgedanken der Evangelischen Allianz begründet.

Sie "versteht sich als ein Bund von Christusgläubigen, die verschiedenen christlichen Kirchen, Gemeinden und Gruppen angehören", so die Evangelische Allianz auf ihrer Webseite, ich verstehe sie unter anderem als heterosexistisch. Die Gründe dafür finden sich in dem Leitgedanken: Ehe als gute Stiftung Gottes, welcher 2017 zu Homosexualität Stellung bezieht.

Außerdem gibt es von der Allianz eine Handreichung zum "Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen", also Behandlungen, die auf Veränderung oder Unterdrückung der sexuellen Orientierung abzielen. Sie sagen zwar, dass sie die "vorbehaltlose Annahme aller Menschen" fordern und die Schuld anerkennen, dass "christliche Gemeinden vielfach durch Hartherzigkeit, Arroganz und verurteilendes Verhalten Homosexuellen gegenüber schuldig geworden sind", aber erwähnen im gleichen Schriftstück, dass "homosexuelle Praxis […] mit dem Willen Gottes und damit dem biblischen Ethos unvereinbar" sei.

Sie schlussfolgern, dass homosexuelle Partnerschaften einer Ehe zwischen Mann und Frau nicht gleichgestellt werden können, da explizit zweiteres als "Gute Stiftung Gottes" betitelt wird. Außerdem berät die Allianz die Gemeinden in ihrer Handreichung, weiterhin der Glaubensüberzeugung zu sein, dass Homosexualität eine Sünde sei und betont sehr genau, wie "ergebnisoffene Beratungen" auszusehen haben, damit sie nicht aus Versehen mit Konversionstherapien verwechselt werden könnten.

Zu so einem Weltbild also soll sich ein Lehrer bekennen, der an den August-Hermann-Francke-Schulen arbeiten möchte.

Die Meinung der Landeskirche

Die evangelische Landeskirche Lippe sieht die Einstellung der evangelischen Allianz kritisch und warnt davor, Bibelstellen wörtlich zu nehmen: "Es ist nicht angemessen, einzelne Passagen unkritisch auf heutige Lebensfragen zu übertragen. Moderne Herausforderungen lassen sich nicht durch selektives Zitieren von Bibelversen lösen", erklärte Andreas Mattke, der Landespfarrer für Kirche und Schule der Plattform "queer.de".

Aussagen von Peter Dück

Zwei Dinge können diskutiert werden, das veraltete Gesetz und die rückwärtsgewandten Glaubensgrundsätze der evangelischen Allianz, doch das Sahnehäubchen des Ganzen sind die von "LZ.de" zitierten Aussagen des Geschäftsführers. Er sagt: "Ein Veganer-Verein würde auch keinen Mitarbeiter einstellen, der Grillmeister ist und das Grillen liebt" und "Genauso wenig würden 'grüne' Unternehmen einen AfD-Politiker bei sich aufnehmen".

Ein vernunftbegabter Mensch vergleicht also die sexuelle Identität eines anderen mit Essgewohnheiten und politischen Ansichten. Auf die "queer.de"-Anfrage an die Pressestelle des Schulvereins, ob es möglich wäre mehr zu diesen Aussagen zu erfahren, wurde nicht geantwortet und auch "evangelisch.de" bekam laut eigener Aussage keine Stellungnahme dazu.

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden

Loreliese am Mo, 21.10.2024 - 16:28 Link

Sie verwechseln allerlei. Aber Homosexuell ist NICHT das neue "woke" Queer. Auch ich möchte für meine Kinder kein queeres Lehrpersonal, homsexuelle oder lesbische Lehrer und Lehrerinnen dagegen schon. Aber die Indoktrination des queeren Lebens kann bei Kinder durchaus implizieren, dass es 55 oder 80 oder 100 Geschlechter gibt. und dennoch ist es so, dass es nur XX und XY gibt. Und die Anbiederei der beiden Großkirchen ist nur peinlich.

PeterG am So, 20.10.2024 - 08:46 Link

Nein, das ist kein Unding. Eine Privatschule unterscheidet sich per Definition in der Lehrerschaft von staatlichen Schulen. Jeder "Gesinnungsverein" kann seine eigenen Maßstäbe an Mitglieder und Mitarbeiter legen, v. a. wenn ethisch-moralische Einstellungen im Vordergrund stehen. Mit dem gleichen Recht kann man fordern, dass ein Metzger mit Beruf Jäger im Tierschutzverein Vorstandsmitglied werden muss, weil er sonst diskriminiert wird. Die ELKB nimmt keine ungetauften Menschen auf. Auch das stellt eine Diskriminierung dar.
Und bitte "Diskriminierung" im eigentlichen Sinne verstehen: Unterscheidung. Jede, aber wirklich auch JEDE, Privatschule unterscheidet zwischen geeigneten und ungeeigneten Lehrkräften. Auch der Staat macht das: Wer leicht übergewichtig ist und eine vermutete erhöhte Gefährdung für Thrombose hat, wird nicht als Beamter in den Staatsdienst übernommen (ich kenne mehrere solcher Fälle!).

Ingrid Müller am So, 20.10.2024 - 08:39 Link

Es gibt auch Privatschulen der katholischen Kirche.
Da ist queer kein Problem?
Oder auch?

Florian Meier am Don, 24.10.2024 - 09:26 Link

Grundsätzlich sollte das Arbeitsrecht analog wie für andere Träger gelten. Es gilt das Überwältigungsverbot: Aktivismus hat im Unterricht und im Rahmen der Erziehung nichts zu suchen und soll zu Hause oder auf der Straße bleiben. Umgekehrt hat den Arbeitgeber nicht zu interessieren, was im Privatraum passiert sofern der Dienst darunter nicht leidet. In dem Zusammenhang wäre dann auch interessant um welche Art der Queerness es eigentlich geht und auch, ob die allgemeine Lehrpraxis dieser Schulen sonst im Einklang mit der Verfassung ist. Viel erfährt man ja nicht also vertraue ich im Zweifel erst einmal den Aufsichtsbehörden.