"Je mehr Sinnlichkeit beim Segnen im Spiel ist, desto stärker wird in der Regel die Wirkung des Segens erfahren."  

Um mit dem Titel Ihres Vortrags beim Selbitzer Forum einzusteigen: Wie wirkt denn – kurz gesagt – der Segen?

Dorothea Greiner: Er wirkt heilend, stärkend, schützend, friedensstiftend - und dies für den ganzen Menschen mit Leib und Seele und in all seinen Sozialkontakten. 

Wenn die Frage nach dem ‚Wie‘ aber meint: Wie kommt es überhaupt dazu, dass der Segen wirkt, dann würde ich eine erste theologische und eine zweite erfahrungswissenschaftliche Antwort geben. Die Theologische: Heilung, Stärkung, Schutz und Frieden kommen aus Gott und seiner liebevollen Zuwendung. Darum lautet ein typischer Segen: "Gott sei mit Dir", denn aus seiner Gegenwart kommt alles Gute. Und die erfahrungswissenschaftliche Antwort ist: Je mehr Sinnlichkeit beim Segnen im Spiel ist, desto stärker wird in der Regel die Wirkung des Segens erfahren: Ein Segen mit persönlicher Handauflegung bei der Trauung, beim Tauffamiliensegen, beim Krankenbesuch berührt Menschen oft im tiefsten Innern.

Drei Sinnesorgane nehmen auf: Sie hören Worte, die zu ihnen gesprochen werden, sie sehen den Menschen, der ihnen nahe ist und sie spüren die Berührung im Hautkontakt. Beides zusammen bedeutet: Menschliches Handeln wird transparent; Gott spricht, ist nah, berührt.

Dorothea Greiner beim Selbitzer Forum: "Wie wirkt der Segen?"

Die Bayreuther Regionalbischöfin Dorothea Greiner wird am Mittwoch (25. Januar) beim Selbitzer Forum der Christusbruderschaft einen digitalen Vortrag zum Thema "Wie wirkt der Segen?" halten. Das monatlich stattfindende Forum widmet sich laut Angaben der Veranstalter geistlichen und theologischen Impulsen und Anregungen von Referentinnen und Referenten.

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Mittlerweile gibt es auch viele digitale Segensformen, etwa den Abendsegen von Pfarrerin Egg-Möwes auf Twitter. Was halten Sie davon?

Es gibt viele Menschen, die digital einen Segen zusprechen. Ich mache das auch und schreibe einem Menschen, der auf eine lange Reise geht in die Mail oder in meinen Social-Media-Kanälen: "Gott behüte Dich." Und ich freue mich, wenn jemand mir vor einem Tag, der Kraft kostet, schreibt: "Gott segne Dich und schenke Dir die Kraft, die Du brauchst." Das nehme ich an als Segen für mich. Christen haben die Aufgabe zu segnen und Segen ist ein Kommunikationsgeschehen - warum sollten wir da nicht die Medien, die wir zur Verfügung haben, nutzen.

Frau Egg-Möwes nennt ihre kurzen Tweets "Abendsegen", sagt aber ja selbst, dass es auch ein Dank, eine Bitte oder Klage sein kann. Alles, was heilsam ist oder Frieden schenkt, wird oft "Segen" genannt. Und das ist ja nicht verkehrt. Ihre Worte sind "Segen" im übertragenen Sinne. Sie sollen "Balsam für die Seele" sein und sind es auch, wie ich finde. Sie tun wohl. Und manchmal sind sie auch wirklich als Segen formuliert.

Verliert der Segen an Wert, wenn er in digitaler Form daherkommt?

Wenn ich in einer großen Halle mit 5000 Menschen am Ende der Veranstaltung segne, dann verliert der Segen nicht an Wert für den Einzelnen, nur weil es so viele sind. In der digitalen Welt verliert der Segen auch nicht an Wert, nur weil ich die Menschen, die ihn empfangen, nicht sehen kann. Manche denken, weil Digitalität zur Massenkommunikation führen kann, wäre ernsthaftes Segnen und Gesegnet werden nicht möglich. Das ist theologisch wie erfahrungswissenschaftlich haltlos. Gott kann mit einem gesprochenen oder geschriebenen Segen unzählige Menschen berühren. In diesem Vertrauen spreche, schreibe, poste ich.
Hohle Sätze und wohltönende Worte, die nur spirituell klingen, aber nicht aus der biblischen Glaubenstiefe schöpfen, gibt es bei Veranstaltungen in Präsenz genauso wie im digitalen Raum. 

"Wir sollten gebrauchen, was Menschen hilft zu vertrauen: Gott ist da und geht mit mir in die Zukunft."

Muss Segen digital grundsätzlich anders angegangen werden?

Segen ist eine solch uralte Sprachform, die können wir gar nicht grundsätzlich anders angehen. Sie hat eine Urform: Drei oder vier Worte - und ein Segen ist gesprochen: "Gott schütze Dich" oder "Gott sei mir Dir." Es ist immer dasselbe: Es geht darum, dass Gott am direkt angesprochenen Menschen heilsam handelt. Wir sprechen oder schreiben den Segen im Vertrauen, dass er das tut. Sprachlich bleibt es diese Form, sonst ist es kein Segen mehr. Eine völlig andere Frage ist die der medialen Aufbereitung. Für eine größere Empfängerschar kann es - je nach Medium - sinnvoll sein, den Segen ansprechend auszugestalten, um das sinnliche Element, das für den Segen ja wichtig ist, zu verstärken. Digital lässt sich eine kurze Filmszene senden, in der ein Mensch zu sehen ist, der die Hände zum Segen erhebt und/oder ein Kreuzzeichen macht, oder in dem eine Stimme zu hören ist mit Bildern und Musik hinterlegt. Wir sollten gebrauchen, was Menschen hilft zu vertrauen: Gott ist da und geht mit mir in die Zukunft.

Glauben Sie, mit digitalem Segen erreicht man andere Zielgruppen als analog?

Ja natürlich! Alle Kommunikationssituationen und alle Medien haben ihre spezifischen Nutzer! Warum sollte das beim Segen anders sein!

Sie haben Ihre Doktorarbeit zum Thema "Segen" geschrieben. Würden Sie heute manches anders schreiben, und falls ja, was?

Es war die erste systematisch-theologische Doktorarbeit über den Segen in der wissenschaftlichen Theologie. Vorher gab es keine. Darum habe ich Grundfragen behandelt, wie das Verhältnis des Segens zur Macht oder zur Magie, zur Erfahrung und der menschlichen Identität oder habe entfaltet, was Luther zum Segen dachte und warum wir trinitarisch segnen. Das würde ich heute noch genauso schreiben.
In den Teilen, in denen ich die Praxis des Segens reflektiere, wie im letzten Kapitel der Arbeit oder im Kapitel "Segen und Kommunikation" - würde ich die veränderte mediale Landschaft aufnehmen. Mein Mann sagt ja, dass ich im Ruhestand als erstes Projekt mein Buch in einfacher Sprache veröffentlichen soll. Das würde mich auch reizen, denn Segen bleibt ein Grundthema - und was wir nicht einfach sagen können, haben wir nicht verstanden.

"Ich würde mir sehr wünschen, dass der Segen wieder in die Privathäuser einkehrt."

Wer darf eigentlich segnen, und warum ist das so?

In öffentlichen Gottesdiensten segnen in aller Regel die dazu beauftragten Liturgen und Liturginnen und in Segnungsgottesdiensten die angeleiteten Teams. Doch im alltäglichen Leben darf jeder Mensch segnen; jeder Christ soll sogar segnen. "Segnet, die euch verfluchen, tut wohl denen, die euch hassen...", diese Aufforderung gilt allen Menschen, die tun wollen, was Jesus uns anvertraut hat.

Ich würde mir sehr wünschen, dass der Segen wieder in die Privathäuser einkehrt. Zu Kindern sagen vor dem Einschlafen: "Gott segne Dich und behüte Dich", verbunden mit einem Kreuzzeichen auf die Stirn - das täte den Kindern so gut und würde manche Angst vor der Nacht und vor dem Leben vertreiben.

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