Es geht weniger um theologische Inhalte als um Geld und Einfluss. Und um Russland. In Afrika rumort es seit einigen Monaten gewaltig in den orthodoxen Gemeinden. Für den Aufruhr sorgte die Ankündigung des russisch-orthodoxen Patriarchen in Moskau, ein Exarchat - also eine Art Diözese - in Afrika zu eröffnen. Die bisher ausschließlich griechisch-orthodoxen Gemeinden der All African Orthodox Church sollten dafür Schritt für Schritt übernommen werden, erklärte Metropolit Kyrill I. Ende vergangenen Jahres.
Kenia besonders attraktiv
Vier verschiedene orthodoxe Kirchen waren bisher in Afrika in ihren jeweiligen Gebieten aktiv: die koptisch-orthodoxe Kirche in Ägypten, die äthiopisch-orthodoxe, die eritreisch-orthodoxe und die griechisch-orthodoxe. Letztere ist auf dem ganzen Kontinent vertreten, allein 500 Gemeinden gibt es in Kenia.
Anfang des Jahres schwärmten nun russische Geistliche über den Kontinent, um Priester abzuwerben. Rund 40 seiner Kollegen hätten sich der russischen Kirche angeschlossen, sagt der kenianische Geistliche John Karanja.
"Es geht da nicht um theologische Richtungen, sondern um persönlichen Vorteil."
Den Priestern seien mehr Geld und Studienplätze in Russland für ihre Kinder angeboten worden.
Kenia ist dafür ein nachvollziehbarer Ansatzpunkt. Denn das ostafrikanische Land beheimatet die größte einheimische orthodoxe Gemeinschaft, die zur griechisch-orthodoxen Kirche gehört. Das seien rund eine halbe Million Gläubige, sagt Priester Karanja. Eine gute Möglichkeit, um Einfluss zu nehmen, ohne selbst Strukturen aufzubauen.
Einfluss durch Politik und Kirche
Der Ukraine-Krieg beeinflusst die Entwicklung dabei ganz entscheidend. Denn das griechisch-orthodoxe Patriarchat von Alexandria unterstützt die Ukraine. Die Theologin Natallia Vasilevich sieht in der Expansion der russisch-orthodoxen Kirche eine Strafe dafür. Die Leiterin des Zentrums "Ecumena" in der belarussischen Hauptstadt Minsk lebt im Exil in Deutschland. Hingegen erklärte das russisch-orthodoxe Patriarchat im Februar, es komme mit der Expansion nur der Bitte afrikanischer Geistlicher nach, die mit der Anerkennung der Unabhängigkeit von Teilen der ukrainischen Kirche von der russischen durch die griechisch-orthodoxe Kirche nicht einverstanden waren.
Nicht nur militärisch, beispielsweise über den Einsatz von Söldnern des Wagnerkonzerns in Mali, der Zentralafrikanischen Republik, Mosambik und Sudan, erweitert Russland seinen Einfluss in Afrika. Auch die Kirchen bieten einen Zugang. Der Wagner-Gründer Jewgeni Prigoschin und Patriarch Kyrill sind Verbündete des russischen Präsidenten Wladimir Putins.
Das Exarchat in Afrika untersteht dem Bischof von Jerewan in Armenien, Leonid Gorbacev. Nach Einschätzung von Natallia Vasilevich ist die Expansion vor allem Leonids persönliches Projekt. Er habe eine lange Geschichte von Verbindungen in private Militärgruppen - darunter die Firma Wagner. Die kämen seinem Projekt zugute, weil er damit einflussreiche Fürsprecher und auch eine Schutzmacht habe, sagt Vasilevich. Keiner wolle sich mit einer Kirche anlegen, die solche Verbündete hat.
Erste Gemeinde entstand 1934
Die griechisch-orthodoxe Kirche hat ihre ersten Gemeinden in Afrika als Missionskirche Anfang des 20. Jahrhunderts eröffnet, bald unter dem Namen Afrikanische Orthodoxe Kirche. Die erste Gemeinde in Kenia entstand 1934. Ab den 1950ern gab es eine enge Verbindung zwischen dem Erzbischof der orthodoxen Kirche in Zypern, Makarios III., und Jomo Kenyatta, der später Kenias erster Präsident wurde. Beide kämpften gegen die britische Kolonialherrschaft in ihrem jeweiligen Land.
Auch wenn der Entschluss, in Afrika zu expandieren schon vor dem Krieg feststand, so hat der zu einem aggressiveren Verhalten geführt.
"Krieg hat nichts mit Christentum zu tun",
sagt Karanja. Aus einem politischen Thema ist für ihn ein innerkirchliches geworden. Die russisch-orthodoxe Kirche nutze Unzufriedenheit in Gemeinden, um diese zu spalten.
Aber auch innerhalb der russisch-orthodoxen Kirche sehen viele die Expansion in Afrika kritisch. Einige afrikanische Priester sind bereits zurückgekehrt zur All African Orthodox Church. John Karanja hofft, dass auch die anderen ihren Weg zurückfinden. Denn sie würden nur für Stimmungsmache und Propaganda genutzt, findet er. Er habe gehört, dass die abtrünnigen Geistlichen regelmäßig Fotos und Videos von ihren Gottesdiensten nach Russland schicken müssten.