Bei Jugendreisen und in Ferienlagern kommt es offenbar immer wieder vor, dass Minderjährige Alkohol und Drogen konsumieren, wie Onlinebewertungen großer Anbieter nahelegen. Obwohl diese Reisen unbeschwerte Abenteuer wie Zelten im Ausland oder Urlaub auf dem Bauernhof versprechen, berichten Betreuer*innen und ehemalige Teilnehmende im SWR-Investigativformat "Vollbild" von negativen Erfahrungen in den Feriencamps.
Wie sieht es bei kirchlichen Angeboten aus? Der Vorsitzende der Evangelischen Jugend in Bayern (EJB) berichtet uns im Interview, dass bei Jugendfreizeiten sehr hohe Standards gelten. Er erklärt auch, wie diese umgesetzt werden – und was er jetzt von den kommerziellen Anbietern fordert.
Herr Scholz, Berichte über unqualifizierte Begleiter*innen bei kommerziellen Jugendfreizeiten haben viele erschreckt. Wie sieht es denn bei den Freizeiten aus, die die Evangelische Jugend anbietet?
Malte Scholz: Wir haben in der Evangelischen Jugend ganz klare Standards, nämlich das jede*r Jugendleiter*in die JuLeiCa (Jugendleiter*innen-Card, Anm. d. Verf.) besitzen muss, um an Freizeiten teilzunehmen. Diese Standards werden vom Bayerischen Jugendring entwickelt und gelten für ganz Bayern. Auch andere Jugendverbände richten sich nach diesen Vorgaben, damit wir eine Einheitlichkeit in der Ausbildung und Betreuung über die verschiedenen Jugendverbände hinweg sicherstellen können.
"Dazu gehören unter anderem Gruppenpädagogik, der Umgang mit jungen Menschen sowie das wichtige Thema Prävention und Umgang mit sexualisierter Gewalt"
Was wird bei der JuLeiCa-Ausbildung denn vermittelt?
In der Regel verbringen die Teilnehmenden eines Grundkurses eine ganze Woche zusammen mit pädagogischem Fachpersonal, um die wesentlichen Themen und Schwerpunkte zu erarbeiten. Dazu gehören unter anderem Gruppenpädagogik, der Umgang mit jungen Menschen sowie das wichtige Thema Prävention und Umgang mit sexualisierter Gewalt. Dabei geht es auch darum, Grenzen zu setzen und die Bedürfnisse und Themen junger Menschen zu verstehen, und all das geschieht meist im Gruppenkontext.
Inzwischen wurde die Regel eingeführt, dass auch Online-Elemente integriert werden können, insbesondere in Zeiten von Corona war das wichtig. Allerdings ist es weiterhin zwingend erforderlich, dass ein Teil der Ausbildung in Präsenz stattfindet. Das ermöglicht eine bessere Einschätzung der Teilnehmer und den Aufbau von Teamarbeit, da man schließlich auch in der Praxis mit den Jugendlichen immer in Gruppen arbeitet. Ein rein online durchgeführter Kurs, bei dem man nur Aufgaben abhakt oder Videos anschaut, würde den Anforderungen und den Bedürfnissen der jungen Menschen, die wir betreuen, nicht gerecht werden.
Wie viel Präsenzzeit ist dafür erforderlich?
Mindestens 15 Stunden müssen in Präsenz erfolgen.
Worauf werden die Jugendleiter*innen eigentlich genau vorbereitet? Sprich, was kann bei so einer Freizeit konkret schiefgehen?
Auf Freizeiten kann einiges schiefgehen: vom Heimweh eines Kindes bis hin zu einem gebrochenen Arm beim Fußballspielen. Deswegen müssen die Betreuer*innen gut geschult sein, um auf alles adäquat reagieren zu können. Bei Heimweh zum Beispiel gilt es, zuerst das Kind zu beruhigen, auch andere Kinder zum Trösten einzubeziehen und nur im äußersten Notfall die Eltern anzurufen. Denn das lindert meistens das Heimweh nicht, sondern es verstärkt es eher. Durch eine gute Ausbildung können Jugendleiter*innen solche Situationen einschätzen, bedarfsgerecht und auf die Bedürfnisse der Kinder angepasst reagieren.
"Erweiterte Führungszeugnisse werden bei uns in regelmäßigen Abständen überprüft"
Probleme gibt es laut dem Bericht auch mit erweiterten Führungszeugnissen. Wie sieht es da bei der Evangelischen Jugend aus?
Erweiterte Führungszeugnisse werden bei uns in regelmäßigen Abständen überprüft, entweder von der Gemeinde oder von der Dekanatsjugend. Die beantragen sie regelmäßig. Wer als Betreuer*in an einer Freizeit teilnehmen möchte, muss zunächst ein aktuelles Führungszeugnis vorlegen, sonst darf er oder sie nicht mitmachen.
Sehen Sie trotz der von Ihnen beschriebenen hohen Standards noch irgendwo Verbesserungsbedarf?
Wir legen großen Wert auf Prävention und Schutz vor sexualisierter Gewalt, da sich das Problem insbesondere in der von uns betreuten Altersgruppe zeigt. Seit über 20 Jahren beschäftigen wir uns intensiv mit dieser Thematik. Wir haben umfassende Schutzprogramme und bereichsspezifische Schutzkonzepte entwickelt und arbeiten derzeit an individuellen Schutzkonzepten für alle Jugendeinrichtungen vor Ort.
Zusätzlich haben wir als Landesjugendkammer, unser höchstes beschlussfassendes Gremium in Bayern, eine Arbeitsgruppe in Zusammenarbeit mit der Fachstelle für Umgang mit sexualisierter Gewalt ins Leben gerufen. Diese Gruppe soll untersuchen, wie wir unsere Maßnahmen weiter verbessern können, welche Schwachstellen es gibt und wo wir noch gezielt hinschauen müssen.
Wir haben hohe Standards, aber es ist wichtig, diese regelmäßig zu evaluieren und das Thema kontinuierlich zu bearbeiten. Trotz unserer hohen Standards kann leider immer etwas passieren, deshalb ist es entscheidend, wie wir damit umgehen. Wir setzen uns daher weiterhin intensiv für die Verbesserung und Aufrechterhaltung dieser Standards ein.
"Ich hoffe, dass bei kommerziellen Anbietern Verbesserungen erfolgen"
Was würden Sie sich von den kommerziellen Anbietern wünschen?
Ich hoffe, dass bei kommerziellen Anbietern Verbesserungen erfolgen, da mich die teilweise sehr niedrigen Standards, von denen ich gelesen habe, stark erschrocken haben. Diese Anbieter bezahlen ihre Mitarbeitenden oft sehr gut. Im Gegensatz dazu erhalten wir bei uns lediglich Ehrenamtspauschalen, und meistens keine Besoldung. Daher erwarte ich, dass gerade bei den kommerziellen Anbietern, wo größere finanzielle Mittel fließen, auch darauf geachtet wird, dass hohe Standards eingehalten und die Mitarbeitenden entsprechend gut betreut werden.
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