Für den gebürtigen Hagener Thilo Neuhaus war gleich nach dem Abitur klar: "Ich werde Pfarrer". Deswegen ging es dann zeitnah zum Theologiestudium nach Wuppertal, später nach Bochum an die Ruhr-Universität. 17 Semester wurden es schließlich, denn er musste mit Latein, Hebräisch und Altgriechisch drei Sprachen neu lernen, die er in der Schule nicht gehabt hatte.
Schnell waren vier Semester ins Land gezogen. Als er schließlich 1997 sein Studium erfolgreich abschloss, war die Stellensituation für Pfarrer in Nordrhein-Westfalen prekär.
"Ich hätte Jahre auf ein Vikariat warten müssen, und dann vielleicht mit Aussicht auf eine halbe Stelle. Also stand der Entschluss fest: Ich mach erst mal was Solides".
Mit 27 begann er eine zweite Ausbildung zum Buchhändler. Seine Hoffnung war, dass sich nach dieser Ausbildungszeit die Stellensituation für Pfarrer und Pfarrerinnen verbessert haben würde. Aber daraus wurde nichts, denn die Lage hatte sich damals eigentlich nur noch verschlimmert. Neuhaus blieb infolgedessen in der Buchhandlung, die er später sogar leitete.
Nach drei Jahren wechselte er in ein großes Verlagshaus, um dort im Außendienst tätig zu werden. "Das war die beste Entscheidung meines Lebens, denn dort habe ich meine Frau kennengelernt", lacht er. Dem Ruhrpott kehrten beide den Rücken, als sie von ihrem Arbeitgeber das Angebot bekamen, in München in verantwortungsvoller Position arbeiten zu können. Für ihn eine intensive Zeit, denn er fühlte sich in der Buchbranche wohl. "Ich hatte tolle Menschen um mich herum und konnte mich mit Büchern beschäftigen."
20 Jahre nicht als Pfarrer gearbeitet
Seinen eigentlichen Wunschberuf Pfarrer hatte er damals weitgehend verdrängt, aber mit Mitte 40 fand bei Neuhaus ein Umdenken statt.
"Manche böse Zungen könnten behaupten, es sei die Midlife-Crisis gewesen", sagt er scherzhaft, aber während sich andere ein Motorrad oder einen Sportwagen kaufen, spielte Neuhaus mit dem Gedanken, seelsorgerlich tätig zu werden:
"Ich war schließlich einmal angetreten, Theologie zu studieren, um Pfarrer in einer Gemeinde zu werden."
Lange hat er sich mit seiner Ehefrau beraten, was denn jetzt der beste Weg sei. Ein Zwiespalt für ihn, denn einerseits fühlte er sich wohl in der Verlagswelt, auf der anderen Seite stand die Frage: wenn nicht jetzt eine neue Weiche stellen, wann dann? Mit 48 Jahren kündigte er bei seinem Verlag und erfuhr selbst von seiner Vorgesetzten Rückendeckung für sein Vorhaben. 20 Jahre hatte Neuhaus da bereits in der Buchbranche gearbeitet.
Pfarrer zu werden nie bereut
Für Thilo Neuhaus ging es dann nach Nürnberg ins Predigerseminar und anschließend in seine erste Gemeinde nach Fürstenried. Das dortige Pfarrer-Ehepaar Johannes Schuster und Ortrun Kemnade-Schuster begleitete ihn durch sein Vikariat und bestärkte ihn in seinem Bestreben. Inzwischen ist Neuhaus im oberfränkischen Obernsees als Pfarrer tätig.
Seinen Entschluss, den gut bezahlten Verlagsjob für ein Ausbildungsgehalt als Vikar an den Nagel zu hängen, hat er nie bereut. "Ich empfinde es auch wirklich als Privileg, hier in meinem Alter noch als Pfarrer arbeiten zu dürfen, für die Gemeinde da zu sein, Kinder zu taufen, Ehepaare zu trauen und Menschen in Trauersituationen zu begleiten", sagt Neuhaus. Das gebe ihm Kraft, und diese Kraft möchte er an seine Gemeinde weitergeben.
Ruhrpottler fühlt sich in Oberfranken "sauwohl"
Der Ruhrpottler fühlt sich in Oberfranken "sauwohl", wie er sagt. Die Menschen vergleicht er mit der Bevölkerung im heimatlichen Ruhrgebiet:
"Hart, aber herzlich, freundlich, aber nicht überschwänglich und sehr direkt, das mag ich."
Pfarrer Thilo Neuhaus sieht es durchaus auch als Vorteil an, vorher in einem weltlichen Beruf gearbeitet zu haben. "Manche Dinge wie Leistungsdruck im Job, Mobbing oder die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes kann man besser nachvollziehen, als wenn man "nur" die kirchliche Laufbahn kennt."
Der 53-Jährige wünscht sich, bis zum Renteneintrittsalter Pfarrer bleiben zu können. Ein bisschen Druck kommt auch von seiner Ehefrau, wenn sie scherzhaft sagt, "noch eine Umschulung machen wir nicht, eine war anstrengend genug". Neuhaus grinst und man merkt, er fühlt sich wohl, auch wenn er innerhalb weniger Jahre einen kompletten Rollenwechsel durchgezogen hat: vom Business-Manager in München zum Landpfarrer in Obernsees-Mengersdorf.
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