Zwar ist die Evangelische Kirche in Fragen der Sexualmoral in Bezug auf ihre Angestellten grundsätzlich großzügiger als beispielsweise die katholische, doch es gibt immer wieder Kritik an den Versuchen, auf das Liebesleben von Pfarrpersonen Einfluss zu nehmen. In Bayern können homosexuelle Pfarrer*innen seit 2010 offiziell mit ihren Partnern im Pfarrhaus zusammenleben – allerdings nur, wenn Kirchenvorstand, Landeskirchenrat, Dekan und Regionalbischof zustimmen.

Bernhard Offenberger ist Pfarrer an St. Ulrich in Augsburg und geht mit seiner Homosexualität offen um, möchte aber nicht darauf reduziert werden. Im Sonntagsblatt-Gespräch spricht er über seine eigenen Erfahrungen, was sich in Kirche und Gesellschaft bereits verändert hat und wo er noch Verbesserungsbedarf sieht.

Auf Instagram hat eine Theologin kürzlich den Umgang der Kirche mit Pfarrpersonen kritisiert, die nicht in einer heterosexuellen Ehe leben. Wie sind denn Ihre eigenen Erfahrungen mit der kirchlichen Sexualmoral in Bezug auf Arbeitsverhältnisse?

Bernhard Offenberger: Ich muss sagen, ich habe sehr positive Erfahrungen gemacht. Ich habe mein Vikariat, meinen kirchlichen Dienst, begonnen, nachdem die Entscheidung zum Zusammenleben im Pfarrhaus für gleichgeschlechtliche Paare getroffen wurde. Und deshalb konnte ich bei allen Bewerbungsgesprächen und allen Gesprächen mit Kirchenleitungen sehr offen und sehr selbstbewusst sein und habe die Kirchenleitung als sehr unterstützend wahrgenommen. Auch etwa, dass geschaut wurde, wo sind gute Stellen, wo ich gut arbeiten kann.

"Wir merken, es hat sich wahnsinnig viel gesellschaftlich, aber auch in der Kirche verändert.

Haben Sie von anderen Pfarrpersonen gehört, die nicht so gute Erfahrungen gemacht haben?

Ich bin einer der Sprecher des Queeren Konvents in Bayern und habe vor dem Interview noch mal mit meiner Co-Sprecherin darüber gesprochen. Alles, was wir an negativen Erfahrungen in diese Richtung haben, ist schon eine Weile her. Und daran merken wir, da hat sich wahnsinnig viel gesellschaftlich, aber auch in der Kirche verändert.

Das klingt sehr positiv. Zieht sich das durch alle Ebenen?

Manchmal gab es schon – vordergründig wohlmeinende – Fragen wie: Musst du wirklich so offen damit umgehen? Bist du dann nicht nur der schwule Pfarrer und wirst darauf festgelegt? Aber wie gesagt, das habe ich jetzt nicht von Kirchenleitungen, sondern eher zum Beispiel im Kollegenkreis oder so mitbekommen.

"Mir war es wichtig, dass meine Gemeinde weiß, okay, wenn der Pfarrer mal einen Partner vorstellt, wird es ein Mann sein."

Wie gehen Sie mit so etwas um?

Ich höre das und sage, ich entscheide selber, wie ich kommuniziere und was ich kommuniziere. Mir war es auch wichtig, dass meine Gemeinde weiß, okay, wenn der Pfarrer mal einen Partner vorstellt, wird es ein Mann sein. Dann, und das hat mich selber ein bisschen überrascht, gab es eine Presseanfrage von der Augsburger Lokalpresse und einen Artikel über mich. Und daraufhin tauchte die Frage auf: Tust du dir damit einen Gefallen? Ich habe dazu nur gesagt, ich habe nichts zu verstecken.  

Wo sehen Sie bei der Kirche denn noch Verbesserungsbedarf?

Ich denke, ein Bereich, wo schon noch kirchlicher und übrigens auch gesellschaftlicher Sensibilisierungsbedarf besteht, ist der Umgang mit Transmenschen. Da habe ich in jüngerer Zeit auch von Vorstellungsgesprächen gehört, in denen die Sorge geäußert wurde, dass die zu auffällig sein könnten. So in etwa: Können wir das den Gemeinden zumuten, wenn man sieht, dass eine Person trans ist?

"Ich persönlich hoffe, dass diese Regelung in Zukunft aufgehoben wird."

Würden Sie das Kirchenrecht gerne ändern?

Ein Bereich, der jetzt mich ja auch betrifft, ist die Pfarrhaus-Regelung, die besagt, dass der Kirchenvorstand befragt wird, ob es grundsätzlich möglich ist, dass ein Pfarrer mit gleichgeschlechtlichem Partner im Pfarrhaus lebt. Da ist ein sogenannter Magnus Consensus (so wird in der evangelischen Theologie ein Konsens der Mitglieder einer Kirche bezeichnet, der so weitgehend ist, dass er eine Änderung kirchlicher Regelungen und Ordnungen ermöglicht – Anm. d. Red.) notwendig. Das war als Übergangsregelung, denke ich, sinnvoll, um das überhaupt zu ermöglichen. Kirche ist eben auch immer wieder Kompromiss. Ich persönlich hoffe, dass diese Regelung in Zukunft aufgehoben wird.

Sie sind auch Mitglied der Landessynode. Wie wird dort mit dem Thema umgegangen?

Bei der auf der Synodaltagung letztes Frühjahr haben wir ja über eine Eingabe beraten, die mit dem mit der dem Thema Regelungen zum Leben im Pfarrhaus zu tun hatte. Da ging es ganz konkret um den Fall, dass ein Kollege sehr gedrängt wurde, doch jetzt endlich zu heiraten. Weil die Grundlage die Vorstellung ist, man soll nicht unverheiratet im Pfarrhaus wohnen. Da ist meines Erachtens die Problematik, dass die Umsetzung der Regelung in den einzelnen Dekanaten sehr unterschiedlich sein kann und deshalb fast willkürlich ist.

Was heißt das konkret?

In manchen Dekanaten ist es so: Wenn man weiß, die Pfarrperson und der Partner haben die Absicht, irgendwann mal zu heiraten, dann ist es in Ordnung. Bei anderen wird sehr konkret gesagt, innerhalb des nächsten halben Jahres wollen wir den Trauschein sehen. Das ist nebenbei eine Haltung, die nicht unbedingt signalisiert, dass man die Ehe hochschätzt, weil es eher dazu führt, dass Menschen heiraten, die vielleicht noch nicht dazu bereit sind. Heutzutage ist es einfach nicht mehr der Normalfall, dass man heiratet, bevor man zusammenlebt, sondern eher andersherum.

"Ich bin froh, dass wir Pfarrerinnen haben, dass Mütter predigen oder dass ich mich als schwuler Mann mit meiner Person in die Verkündigung einbringen kann."

Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Wie wünschen Sie sich die Kirche in zehn Jahren?

Ich denke, dass dieser Beruf ein besonderer ist und einen besonderen Umgang erfordert, wird wahrscheinlich so bleiben. Ich finde es auch nicht grundsätzlich falsch, dass das auch thematisiert wird, dass man fragt, haben Sie denn ein persönliches Umfeld, was Sie auch unterstützt? Gleichzeitig wünsche ich mir noch mehr Vertrauen in die kirchlichen Mitarbeitenden. Wir begleiten Menschen durch verschiedene Phasen, müssen Entscheidungen treffen auf verschiedenen Ebenen. Und da hoffe ich auf ein Zutrauen, dass man auch für sich selber schauen kann, wie kriege ich mein Leben und meinen Dienst in Einklang.

Außerdem wünsche ich mir eine Offenheit dafür, auch Konstellationen, die nicht den bisherigen kirchlichen Normvorstellungen entsprechen, die aber gesellschaftlich vorkommen, als eine Chance für unsere Authentizität, für unsere Verkündigung zu begreifen. Ich bin froh, dass wir Pfarrerinnen haben, dass Mütter predigen oder dass ich mich als schwuler Mann mit meiner Person in die Verkündigung einbringen kann. Denn dadurch werden wir vielfältiger und es wird für viele Leute greifbarer, was wir zu verkündigen haben.

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