Noch bevor die Gemeindeversammlung richtig beginnt, droht schon der erste Streit. Der Wortführer eines Lagers in der Kirchengemeinde wirft dem Kirchenvorstand vor, nicht form- und fristgerecht eingeladen zu haben.

Schuld daran, "dass das Kirchenrecht nicht eingehalten wird", trage der Kirchenvorstand - außerdem das Dekanat, das seiner Aufsichtspflicht nicht nachkomme. Wegen Störmanöver dieser Art kommt die evangelische Kirchengemeinde Parsberg in der Oberpfalz einfach nicht zur Ruhe.

Seit mehr als einem Jahr Störfeuer

Die Störfeuer gibt es schon seit mehr als einem Jahr - und sie treiben einzelne Gemeindeglieder und auch Mitarbeitende bis an den Rand der Verzweiflung: Eine Pfarramtssekretärin musste monatelang in einer Klinik behandelt werden. Bei einer Kirchenversammlung kam es zu einem tätlichen Übergriff. Das Opfer wartet bis heute auf eine Entschuldigung. Menschen werden diffamiert, die Kirchenleitung diskreditiert. Die Kirchengemeinde stand bis vor kurzem vor einem Trümmerhaufen.

"Wir erleben hier exemplarisch, was der Kirchengemeinde seit Längerem widerfährt", sagt der ebenfalls anwesende Regensburger Regionalbischof Klaus Stiegler. Und an den Wortführer mit seinen Anschuldigungen gerichtet, sagt er:

"Ihre Auslegungen des Kirchenrechts sind frei erfunden. Es gibt keinen juristischen Grund, dieser Versammlung die Qualität abzusprechen."

Stiegler fordert daher den Wortführer auf, seine "fantasievollen Annäherungen an die Wirklichkeit" zu unterlassen.

Kirchenrechtlich keine Fehlverhalten

Stieglers Äußerungen sind nicht etwa ein "Basta". Sie sind die Konsequenz aus einem mühsamen Erkenntnisprozess, wie es zu dieser verfahrenen Situation kam, wie das Lagerdenken zum Alltag in der Kirchengemeinde wurde "Dem Kirchenvorstand sind kirchenrechtlich keine Vorwürfe zu machen", sagt Stiegler und bedankt sich beim Gremium für dessen Stehvermögen und Durchhaltekraft. Die Vorstandsfrauen hätten viel aushalten müssen in der vergangenen Zeit.

Von einer Spaltung in der Gemeinde wurde spätestens gesprochen seit einem sogenannten Ungedeihlichkeitsverfahren, das der Kirchenvorstand gegen den damals amtierenden Pfarrer eingeleitet hatte. Immer wieder knirschte es zwischen Pfarrer und Kirchenvorstand. Mitglieder wurden ausgewechselt oder warfen das Handtuch, bis der Kontakt vollends abbrach. Zuletzt belehrte der Pfarrer "seinen" Kirchenvorstand über Aufgaben und Pflichten per Gemeindebrief.

Pfarrer wurde 2021 vorläufig seiner Ämter enthoben

Vorläufig von seinen Ämtern enthoben war der Pfarrer seit Juli 2021. Im September 2022 beschloss die Kirchenleitung, dass der Pfarrer wegen eines nachhaltig gestörten Vertrauensverhältnisses in den Ruhestand versetzt wird. Nachdem der Pfarrer bereits seine vorherige Stelle im oberfränkischen Speichersdorf wegen so eines Verfahrens verlassen musste, habe die Kirchenleitung keine weitere Einsatzmöglichkeit mehr für den Mann gesehen, begründete die Landeskirche damals.

Seitdem versucht die Kirchengemeinde, zur Normalität zurückzufinden. Die Gemeindeversammlung sollte ein Anfang sein. Der Regensburger Regionalbischof Stiegler stellt eine Wiederbesetzung der Pfarrstelle in der ersten Jahreshälfte 2023 in Aussicht. Der Kirchenvorstand rund um Vertrauensfrau Ramona Bergler sammelt bei der Versammlung Ideen für eine Weiterentwicklung der Gemeinde. Thema ist aber auch, dass der frühere Pfarrer weiterhin im Gemeindebereich wohnt.

Frieden der Gemeinde dienen

"Wir haben in der Ordination alle versprochen, dem Frieden der Gemeinde zu dienen. Aufgabe des Pfarrers wäre es, in die Zukunft zu gucken und Frieden zu stiften", sagt Susanne Schatz, Leiterin der evangelischen Gemeindeakademie in Rummelsberg. Sie moderiert den Abend, hat aber keinen Beratungsauftrag, betont sie.

"Es ist wichtig für die Gemeinde, nach vorne in die Zukunft zu schauen, ein neues Kapitel aufzuschlagen."

Denn alle wünschten sich, dass es wieder Frieden gibt.

Ob das gelingt, steht in den Sternen. Stiegler attestierte der Gemeinde, "dass sie lebt und dabei ist, eine Krise hinter sich zu lassen". Für Außenstehende hat es den Eindruck, als ginge es dem ein oder anderen weiter vor allem um die Machtfrage in der Kirchengemeinde. Dass dafür eine funktionierende Kirchengemeinde gesprengt wird, wird in Kauf genommen. "Solange einer nicht Ruhe gibt, hat er weiter die Macht", sagt Schatz. Dagegen helfe nur eines: ihm die Bühne zu entziehen.