Bei der Synoden-Tagung werden gleich mehrere Vorschläge verhandelt, die sich mit dem Thema Frauenförderung in leitenden Ämtern befassen. Welcher davon hat für Sie höchste Priorität?
Constanze Pott: Für mich persönlich sticht die Quotenfrage besonders hervor. Das ist auch das Thema, das in dem Umfeld derzeit am kontroversesten diskutiert wird. Die Mindestquote von 50 Prozent, über die aktuell gesprochen wird, wurde vom Landeskirchenrat und Oberkirchenrat Stefan Reimers zur Ablehnung empfohlen, unter anderem mit dem Hinweis, dass bereits ein flexibles Quotenband von 40 bis 60 Prozent in Entwicklung ist.
"Frauen sollen und wollen nicht das Gefühl haben, nur wegen einer Quote ausgewählt worden zu sein"
Die Frauenquote bleibt, wie Sie sagen, ein kontroverses Thema. Wie stehen Sie dazu?
Die Quotenfrage ist schwierig, weil sie eng mit der Wahrnehmung von Kompetenz und Qualifikation verknüpft ist. Frauen sollen und wollen nicht das Gefühl haben, nur wegen einer Quote ausgewählt worden zu sein – das würde ihren Fähigkeiten auch nicht gerecht. Dennoch brauchen wir solche Zielvorgaben und spezifische Fördermaßnahmen, um langfristig qualifizierte Frauen in Führungspositionen zu bringen.
Dabei müssen wir in Dekaden denken: Es dauert Jahre, bis Frauen sich für Dekanspositionen qualifizieren, und weitere Leitungserfahrung um sich als Regionalbischöfin zu qualifizieren. Die Perspektive muss also langfristig angelegt sein. Derzeit steigen etwa 80 Prozent Frauen ins Theologiestudium ein, und rund die Hälfte der Pfarrerschaft sind Frauen. Ohne spezifische Förderung fehlen jedoch die gezielten Qualifikationen für Leitungspositionen.
Unterscheidet sich der Vorschlag von Oberkirchenrat Stefan Reimers, statt einer festen Quote von 50 Prozent eine zwischen 40 und 60 Prozent einzuführen, wirklich so sehr vom Antrag?
Es ist tatsächlich ein Unterschied – und zwar ein erheblicher. Wenn wir über 50 Prozent Frauenanteil sprechen, dann ist das eine klare Zielvorgabe, die dem aktuellen Anteil der Pfarrerinnen gerecht wird. Bereits heute sind 50 Prozent der Pfarrstellen mit Frauen besetzt, und 80 Prozent der Berufseinsteigerinnen und -einsteiger sind Frauen. In wenigen Jahren wird der Frauenanteil auf Dekane-Ebene vermutlich bei 60 Prozent oder mehr liegen müssen. Deshalb wäre es völlig unangemessen, sich auf eine flexible Quote von 40 bis 60 Prozent einzulassen. Das fühlt sich an wie ein Verhandeln auf dem Basar – und das ist nicht akzeptabel.
Außerdem gibt es rechtliche Grundlagen, die für eine feste, variable Zielvorgabe sprechen. Gerichtsurteile aus den 1990er-Jahren und Maßgaben des Europäischen Gerichtshofs legen fest, dass sich Quoten an der Zusammensetzung der darunterliegenden Ebene orientieren sollen. Siemens macht das so, ebenso wie der öffentliche Dienst in Hessen. Für uns bedeutet das: Wenn 50 Prozent der Pfarrstellen von Frauen besetzt sind, muss das Ziel auf der Dekanatsebene ebenfalls 50 Prozent sein – mindestens. Auch daher ist der 40-Prozent-Vorschlag nicht akzeptabel!
"Die Zielvorgaben auf jeder Ebene sollten sich an den Anteilen der darunterliegenden Ebene orientieren"
Wie soll es dann in Zukunft weitergehen?
Langfristig bräuchten wir ein System, das sich dynamisch anpasst: Die Zielvorgaben auf jeder Ebene sollten sich an den Anteilen der darunterliegenden Ebene orientieren. Wenn wir in der Pfarrerschaft 55 Prozent Frauen haben, müsste das in der Dekanatsebene reflektiert werden. Diese Zielvorgaben könnte man alle drei bis fünf Jahre evaluieren und anpassen. Gleichzeitig müssten wir auf der Einstiegsebene verstärkt in Männerförderung investieren, um das Verhältnis langfristig auszugleichen.
Was meinen Sie konkret?
Wir müssen früh beginnen, beispielsweise bei der Sozialisierung von Jungs mit Kirche. Ein guter Ansatzpunkt wäre der Konfirmandenunterricht. Mein Sohn ist gerade in dem Alter, und ich sehe, wie wichtig es ist, Jugendliche dort abzuholen, wo sie stehen. Subjektorientierte Konzepte, die das Lebensumfeld der Jugendlichen einbeziehen, können viel bewirken. Das Landeskirchenamt und der Landesjugendreferent haben mit dem KonfiLab hier hervorragende Vorarbeit geleistet, die nun in die Fläche gebracht werden muss. Jungen müssen erleben, dass Kirche auch für sie relevant ist, dass sie hier einen Platz finden können – spirituell und gesellschaftlich, und schließlich als Arbeitgeber!
Hier könnte die Kirche von der Industrie lernen. Große Unternehmen wie Siemens machen seit Jahren gezielte Kampagnen, um Mädchen für technische Berufe zu begeistern – dort ist die Einsteigerinnenquote sehr niedrig. Sie zeigen "Role Models", gehen in Schulen und vermitteln, dass Technikberufe auch etwas für Frauen sind. Ähnlich müsste die Kirche vorgehen, um junge Männer für den Pfarrberuf zu gewinnen – mit gezielter Ansprache und attraktiven Vorbildern. Und eben nicht mit einer Männerquote!
Kommen wir zur Frage der Frauenförderung, den entsprechenden Vorschlag haben Sie mitunterzeichnet. Welche Maßnahmen halten Sie konkret für nötig?
Wir wissen, dass es Förderangebote gibt, die entweder nicht ausreichend, nicht bekannt genug sind oder nicht zielgerichtet genug aufgesetzt sind.
Ein Beispiel: Ein einstündiges Schulungsmodul kann vielleicht ein Bewusstsein schaffen, bietet aber kein umfassendes Training, das Frauen sicher in der Anwendung eines neuen Konzepts macht. Zudem fehlen oft frauenspezifische Fördermaßnahmen, die Aspekte wie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, geschlechterspezifisches Netzwerken oder die Selbstreflexion von Frauen berücksichtigen.
Es gibt auch Angebote, die nur informell weitergegeben werden – oft nach dem Prinzip "Man muss jemanden kennen" oder "Man muss empfohlen werden". Das führt zu Ungleichheiten, die geschlechterspezifisch sind. Diese informellen Netzwerke erinnert manchmal an einen "Boys Club", während Frauen ganz anders netzwerken.
"Um einen funktionierenden 'Girls Club' aufbauen zu können, braucht es einen Frauenanteil von mindestens 30 Prozent"
Sie sprechen von "Boys Clubs" – was bedeutet das für die Frauenförderung?
Nun, ein "Girls Club" funktioniert anders als ein "Boys Club". Um überhaupt einen funktionierenden "Girls Club" aufbauen zu können, braucht es einen Frauenanteil von mindestens 30 Prozent. Diese kritische Masse ist essenziell. Wenn wir in einer Führungsebene – sagen wir, im Landeskirchenrat – 30 bis 40 Prozent Frauen erreichen, schaffen wir die Grundlage, um mehr Frauen nachzuziehen. Ohne diese Masse bleibt es bei Einzelfällen. Stellen Sie sich vor, ein Gremium hat acht Männer und nur eine Frau. Diese Frau ist isoliert und hat kaum Möglichkeiten, etwas zu verändern. In solchen Situationen fühlen sich Frauen oft unwohl oder können ihre Position nicht stärken. Deshalb ist es so wichtig, genau hinzusehen, was auf der Ebene der Regionalbischöfe und anderer Führungspositionen passiert. Nur so können wir echte Geschlechtergerechtigkeit erreichen.
Wie realistisch ist es aus Ihrer Sicht denn, dass bei der Synode Maßnahmen beschlossen werden, die in die von Ihnen skizzierte Richtung gehen?
Meine Hoffnung ist ehrlich gesagt gedämpft. Realistisch betrachtet werden wir bei einigen Punkten vermutlich nur erreichen, dass wir die Diskussion etwas differenzierter beleuchten. Schon das ist schwierig genug. Es gibt jedoch ein paar positive Ansätze.
Nehmen wir die Quote: Wenn wir es schaffen, eine Zielvorgabe von 50 Prozent Frauenanteil in den nächsten zehn Jahren zu beschließen, dann wäre das ein großer Erfolg – fast wie ein Lottogewinn, um ehrlich zu sein. Ich habe schon Sekt kaltgestellt für den Fall, dass das gelingt. (lacht) Leider müssen wir uns eingestehen, dass es in der jetzigen Form schwierig wird. Trotz aller Hürden bin ich überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Es braucht Geduld, Mut und beharrliche Arbeit – und dafür steht diese Synode. Es gibt viele konstruktive Vorschläge, und die Notwendigkeit, Frauenförderung weiter voranzutreiben, wird von den meisten Synodalen anerkannt. Entscheidend wird sein, dass wir die langfristigen Perspektiven im Blick behalten und dabei nicht in kurzsichtigen Kompromissen hängenbleiben.
"Das Landeskirchenamt hat bei der Nachbesetzung der Bayreuther Oberkirchenratsstelle bereits proaktiv gehandelt"
Wie sieht es mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie aus? Hier gibt es sogar einen Vorschlag für ein Kirchengesetz.
Da bin ich optimistischer. Die Gesetzesinitiative des Synodalausschusses ist ein wichtiger Schritt. Auch wenn sie nur punktuelle Änderungen vorschlägt, sendet sie ein klares Signal. Insbesondere die Einbindung der Beauftragten für Chancengerechtigkeit in Berufungsverfahren ist ein Erfolg. Das Landeskirchenamt hat bei der Nachbesetzung der Bayreuther Oberkirchenratsstelle bereits proaktiv gehandelt, noch bevor die gesetzlichen Änderungen greifen. In der zweiten Verfahrensrunde wurde die Beauftragte für Chancengerechtigkeit direkt eingebunden – ein vorbildliches Vorgehen.
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