Was reizt Sie am Amt der Synodalen?
Kerstin Pechtold-Kuch: Unsere Evangelisch-Lutherische Kirche bietet etwas Besonderes: hier kann Demokratie gelebt werden. In der kirchenleitenden Struktur können ganz im reformatorischen Verständnis Ordinierte wie Nicht-Ordinierte wesentliche Entscheidungen mittragen und mittreffen. Durch die in der Landessynode vertretenen unterschiedlichen Berufsgruppen fließen viele Kompetenzen in den Lösungsprozess mit ein.
Ich erlebe die Landessynode als einen Ort, in dem in einer guten menschlichen Atmosphäre nach Lösungen gesucht und um gute Umsetzung gerungen wird. Und: unsere Kirche ist im Aufbruch, es wird spannend: Wir haben die Chance, Altes neu zu entdecken und Neuanfänge zu wagen. Dies möchte ich gerne mitgestalten, deshalb habe ich mich damals zur Kandidatur entschlossen.
Welche Themen wollen Sie in der Synode vorantreiben?
Nun stehen wir schon am Ende der jetzigen Synodalperiode. Und ich bin dankbar dafür, dass ich in den vergangenen sechs Jahren die Prozesse in unserer Landeskirche miterleben und bei der Entscheidungsfindung mitunterstützen durfte.
Einiges von dem, was ich erhofft habe, konnte in dieser Zeit angestoßen werden, manches auch vertieft und umgesetzt. Hierzu gehören organisatorische Aspekte wie Landesstellenplanung, Verwaltungsreform, Finanzplanung. Aber auch inhaltliche und gesellschaftspolitische Themen, wie die Einführung des Klimaschutzgesetzes, Umgang mit sexuellem Missbrauch, Förderung der Ehrenamtsarbeit und gemeinsames Abendmahl mit Kindern in allen Gemeinden, um nur einige wenige zu nennen. Mir als Psychologische Psychotherapeutin und als Mitglied des Ausschusses Gesellschaft und Diakonie liegt die Diakonie und die Seelsorge besonders am Herzen: Ich freue mich daher, dass die Landessynode die Diakonie als Schwerpunktthema der nächsten Tagung gewählt hat.
Kirche kann ein ganz besonderer Ort sein, ein Sehnsuchtsort, wo Menschen sich auf einer anderen, einer tieferen Ebene begegnen und Heimat finden. Ich habe daher die Gemeindeentwicklung sehr im Blick: Viele treibt um, wie geht es weiter mit unseren Dekanaten, unseren Immobilien und mit unseren Gemeinden vor Ort? Was ist, wenn die Pfarrstelle vakant ist, bekommen wir eine neue Pfarrerin/einen neuen Pfarrer? Das beschäftigt uns und wir müssen und dürfen alle gemeinsam neue Antworten und Wege finden. Aber nicht nur diese organisatorischen Aspekte sind mir wichtig, sondern auch: wie können wir für unseren Glauben begeistern, wie können wir hierfür gemeinsam mit der jungen Generation neue Wege beschreiten, kreativ sein – gemeinsam auf dem Weg zu einem erfüllten Glauben.
Wo muss Kirche besser werden?
Aufgrund der angespannten finanziellen Situation der Kirche müssen Entscheidungen getroffen werden: Welche Inhalte wollen wir stärken und welche weniger, welche müssen wir sogar aufgeben? Es geht darum, der Kirche eine Richtung zu geben. In der Ausrichtung der Kirche wird die Landessynode einen wichtigen Beitrag leisten.
Wie wichtig hierbei Kommunikation ist, wurde mir nochmals beim Start in die Synode bewusst. Es war ein schwieriger, denn dieser fiel zeitgleich mit dem Beginn der Corona-Pandemie: Zweidrittel der Synodalen waren zum ersten Mal in der Synode und viele Sitzungen fanden zu Beginn digital oder mit deutlichen Einschränkungen statt. Daher war das Hineinfinden in die Arbeit als Synodale für mich und sicher auch für viele andere nicht einfach. Es wurde nochmal deutlich, wie wichtig persönliche Kontakte vor Ort sind, das gemeinsame Kennenlernen, die Kommunikation.
Die Kirche steht vor weitreichenden Veränderungen, wir müssen daher vieles neu denken. In vielen Bereichen sind Entscheidungen auf mittlerer Leitungsebene gestärkt worden, hier bedarf es einer guten Kommunikation zwischen allen Ebenen des kirchlichen Lebens: von der Kirchenleitung hin zu den Kirchengemeinden und Dekanaten und zurück, damit Entscheidungen transparent werden und den Bedürfnissen der Gemeinden, Dekanate und Kirchenkreise gerecht werden können.
Durch Strukturänderungen muss Kommunikation auch gestärkt werden in Richtung anderer Gemeinde,n mit Partnergemeinden und auch über die kirchlichen Gemeindegrenzen hinaus, in Richtung anderer Institutionen, zum Beispiel der Kommunen. Wichtig ist auch der Kontakt zu Menschen, die mit Kirche wenig zu tun haben, zum Beispiel durch Gottesdienste an besonderen Orten. Im größeren Kontext sehe ich vor allem die Zusammenarbeit interkonfessionell, beziehungsweise im interreligiösen Dialog. Ausschau halten nach neuen Kooperationsformen, das bringt neue Gestaltungsmöglichkeiten. Wir dürfen hier kreativ werden, uns auch trennen von Gewohntem und Neues wagen. Und natürlich dürfen wir die Kommunikation auch in kleineren Einheiten nicht vergessen – oft erlebe ich, dass es zu Kränkungen und dann auch Abwendung von der Kirche kommt. Da müssen wir achtsamer werden.
In Folge der Veränderungen im personellen Bereich, wie der Rückgang der Zahl der Pfarrerinnen und Pfarrer, erhoffe ich mir die Entwicklung neuer Ideen, um Kirche als Arbeitgeber interessant zu machen, um junge Leute für den Pfarrberuf oder pädagogisch-theologische Stellen zu gewinnen. Und ich wünsche mir auch sehr mehr junge Leute in Leitungsgremien der Kirche, sei es im Kirchenvorstand, auf Dekanatsebene, in der Synode – hier müssen wir einladender werden. Durch die strukturellen Gegebenheiten sehe ich eine größere Beteiligung der Ehrenamtlichen und erhoffe mir daher auch eine Stärkung des und Fortbildung im Ehrenamt, damit unser Gemeindeleben vielfältig bleibt.
Wie engagieren Sie sich in Ihrer Gemeinde vor Ort?
Der Kirche fühle ich mich seit der Kindheit verbunden, zunächst weil meine Eltern kirchlich sehr aktiv waren. Ich selbst war in verschiedenen Bereichen der Kirche engagiert, zum Beispiel im Kindergottesdienst und in der Jugendarbeit, bei der Kirchenzeitung und anderes mehr – Kirche gehörte für uns als Familie zu unserem Alltag, war nicht wegzudenken. Besonders inspiriert war ich in der Jugend durch ökumenische Themen und setzte mich für mehr Ökumene in der Kirchengemeinde ein. Kirchentage begeisterten mich. Und auch während meines Studiums blieb ich weiter aktiv und der Kirche verbunden, zum Beispiel in der Studentischen Telefonseelsorge. Mittlerweile bin ich in der 3. Wahlperiode im Kirchenvorstand, war auch hier einige Jahre als Vertrauensfrau tätig und bin Mitglied in Dekanatsausschuss und Dekanatssynode. 2019 wurde ich in die Landessynode gewählt und bin dort im Ausschuss Gesellschaft und Diakonie.
Wie sehen Sie die Zukunft der Kirche?
Aus meiner Sicht ist es unverzichtbar, eine Heimat für die Gemeinschaft der Gläubigen zu sein, die in vielfältigen Gruppen und Veranstaltungen zum Ausdruck kommen kann. Menschen haben eine tiefe Sehnsucht nach Sinn, dabei ist die Form des Ausdrucks von Mensch zu Mensch unterschiedlich und es gilt hier Ideen zu entwickeln, zu experimentieren mit neuen Gottesdienstformen und anderen Formen gelebten Glaubens.
Neue Wege gehen, sich entscheiden, bedeutet immer auch etwas sein lassen, Loslassen oder verändern alter Gewohnheiten. Das ist manchmal schmerzlich, kann uns aber auch zu ganz Neuem führen. Auch aus meiner beruflichen Erfahrung weiß ich, dass in Krisen Chancen stecken, Chancen für Neuaufbruch und positive Veränderung. Eines meiner Lieblingslieder heißt: "Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist, weil Leben heißt: sich regen, weil Leben wandern heißt". Mut zu Veränderungen, das wünsche ich uns allen. Darauf freue ich mich.
Zur Person
Dipl.-Psych. Dr. phil. Kerstin Pechtold-Kuch ist 60 Jahre alt, verheiratet und lebt in Großheubach im Dekanat Aschaffenburg. Nach dem Abitur folgte das Studium der Psychologie in Marburg, Wien, Freiburg und Hamburg. Aus beruflichen Gründen kam sie nach Würzburg. Nach psychotherapeutischer Tätigkeit in verschiedenen Kliniken bekam sie 2011 die Gelegenheit eine Kassen-Praxis für Psychotherapie in ihrer alten Heimat zu übernehmen. Seitdem führt Frau Dr. Pechtold-Kuch eine eigene Praxis für Psychotherapie und Neuropsychologie in Miltenberg.
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