Warum wollte die Evangelische Landjugend in Bayern unbedingt selbstständig werden?

Benedikt Herzog: Die Evangelische Landjugend hatte bisher ein Konstrukt, das seit 1953 gewachsen ist. Dieses sieht vor, dass wir unterschiedliche Fördergeber haben. Das hat historische Gründe: Neben der Katholischen Landjugendbewegung (KLJB) und der Bayerischen Jungbauernschaft (BJB) sind wir quasi die dritte Nachwuchsorganisation des Bayerischen Bauernverbands (BBV).

Unser Trägerverein, dem wir bisher angehören, den Verein der Evangelischen Bildungszentren im ländlichen Raum in Bayern e.V., durchläuft seit etlichen Jahren einen Restrukturierungsprozess. Das war zum Teil bedingt durch die Landeskirche, die gesagt hat: Ihr müsst euch anders aufstellen als Bildungshaus, als diakonische Einrichtungen, als Jugendverband. Damit das insgesamt abgrenzbar und besser wirtschaftlich darstellbar ist. Und damit auch die einzelnen Teile abgesichert sind.

"Eine Insolvenz würde dazu führen, dass alle Einrichtungen, die zu einem Verein gehören, mit in die Insolvenzmasse hineinrutschen."

Was meinen Sie damit?

Gerade durch Corona wurde das nochmal massiv deutlich, weil die Bildungshäuser da ja einfach geschlossen waren. Gut, die waren finanziell abgedeckt, durch den Gesetzgeber und die Unterstützung von anderen Seiten – beispielsweise die ELKB. Aber stellen wir uns mal vor, was wäre, wenn der Gesetzgeber gesagt hätte, wir gewähren keine Corona-Hilfen und dergleichen. Dann hätten wir total schnell eine finanzielle Schräglage. Eine Insolvenz würde dazu führen, dass alle Einrichtungen, die zu einem Verein gehören, mit in die Insolvenzmasse hineinrutschen. Und wenn wir als Jugendverband an diesen Häusern dranhängen, und da eins aus irgendeinem Grund absäuft, dann hängen alle 180 Ortsgruppen da mit dran und alle Kreisverbände und alle Bezirksverbände – einfach auch die gesamte ELJ

Und welche Antwort haben Sie darauf gefunden?

Was passt zu selbstorganisierter Jugendarbeit eigentlich besser, als selbstständig zu sein, sich also selber darum zu kümmern? Die nächste Frage war dann: Welche Rechtsform wählen wir? Neben Verein und gGmbH kamen auch noch andere infrage. Und wir haben wirklich jede einzelne Rechtsform, die infrage kommt, geprüft.

Ganz biblisch, wie Paulus sagt: "Drum prüfet alles und das Gute behaltet "(1.Thes 5,21) Und letztlich sind wir zu der Erkenntnis gelangt, dass eine Genossenschaft am besten zu uns passt. Zum einen war die Überlegung: Die Jugendlichen bestimmen selbst, was in ihrer Firma passiert, und zwar noch mal auf einem ganz anderen Level als bei einem Verein. Bei Vereinen kann ich zum Beispiel ganz schnell die Satzung verändern, bei der Genossenschaft ist das nicht so einfach.

"Es kommen harte Zeiten auf uns zu – das haben wir bei der Landessynode kürzlich ja gehört."

Das zweite Kriterium war, wir müssen wirtschaftlich nachhaltig arbeiten. Es kommen harte Zeiten auf uns zu – das haben wir bei der Landessynode kürzlich ja gehört. Zum einen, weil weniger Geld in der Kasse sein wird, und zum anderen, weil wir steigende Personalkosten haben werden. Wir sind zwar gemeinnützig, aber es muss ja trotzdem am Ende eine Null dastehen, sonst sind wir es, die von einer Insolvenz gefährdet sind. Und der dritte Aspekt: Landjugend steht auch für gelebte Demokratie. Und in der Genossenschaft ist es egal, wie viele Geschäftsanteile ich zeichne, egal, ob ich jetzt 5 Euro einlege oder 5 Millionen – ich habe immer eine Stimme.

"Für uns ist das wie die Mondlandung."

Wie groß ist die Veränderung, die das alles mit sich bringt?

Für uns ist die Gründung einer Genossenschaft wie die Mondlandung: Ein kleiner Schritt für den Kreisverband, etwas zu unterzeichnen und zu schauen, dass wir jetzt eine Firma miteinander führen. Aber ein großer Schritt für die Jugendverbände, sich zivilgesellschaftlich zu organisieren. Und es kann auch ein großer Schritt für die Kirche sein. Kirche kennt dieses Modell so nämlich auch noch nicht.

Das heißt, es ändert sich einiges in der Herangehensweise?

Wir müssen uns jetzt eben selber drum kümmern, müssen mit der Landeskirche verhandeln, mit dem Landwirtschaftsministerium verhandeln, mit dem Bayerischen Bauernverband und so weiter. Wir sind jetzt in allen Bereichen selber dafür verantwortlich, dass wir das tun. Wenn wir es nicht tun, dann macht es keiner. Das war aber eben genau unsere bewusste Entscheidung, von den jungen Erwachsenen, die Verantwortung zu tragen.