Die Zahl der Kirchenaustritte aus der evangelischen Kirche in Bayern ist im vergangenen Jahr angestiegen. 36.580 Menschen sind 2021 ausgetreten, teilte die evangelische Landeskirche am Mittwoch mit. Das sind rund 10.000 mehr Austritte als im Jahr zuvor, in dem die Zahl pandemiebedingt niedrig war. In die evangelische Kirche eingetreten sind den Angaben zufolge 2.330 Menschen (2020: 2.154, 2019: 2.827). Am Stichtag 31.12.2021 hatte die bayerische Landeskirche 2,20 Millionen Kirchenmitglieder.

Die statistischen Zahlen, wie viele Menschen in den bayerischen evangelischen Gemeinden im Jahr 2021 getauft, konfirmiert, getraut oder beerdigt wurden, liegen nach Angaben des Sprechers der Landeskirche, Johannes Minkus, erst im späten Frühjahr vor. Die Gemeinden hätten zum 1. April Zeit, sie an die Landeskirche zu melden.

Gründe für die höhere Zahl der Kirchenaustritte

Die Kirchenaustritte seien schmerzlich, aber gleichzeitig eine Herausforderung, sagte der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Die höhere Zahl der Kirchenaustritte könne vermutlich im Wesentlichen mit einem Nachholeffekt des Corona-Lockdowns im Vorjahr zu erklären sein. "Trotzdem schauen wir uns die Gründe sehr genau an, warum Menschen unsere Kirche verlassen."

Bedford-Strohm sagte weiter,

"wir wollen, dass die Menschen den christlichen Glauben als eine persönliche Bereicherung erleben. Die Menschen sollen spüren, dass der christliche Glaube und die Mitgliedschaft ihnen etwas bringt, dass sie relevant sind für ihr Leben".

Es gebe aber kein Patenrezept, was die Kirche tun müsste, denn die Erwartungen der Menschen seien sehr verschieden. Die bayerische Landeskirche sei aber mitten in einem großen Umbau und Neubau der Kirche und probiere vieles aus.

Ärger über einen Pfarrer oder ein anderer konkreter Anlass treibt nach Angaben des evangelischen Sozialwissenschaftlichen Instituts (SI) nur wenige Menschen aus der Kirche. Zwar sei davon auszugehen, dass konkrete Anlässe wie die kirchlichen Skandale zur sexualisierten Gewalt an Kindern und die Verschwendung finanzieller Mittel zur Austrittsspitze 2019 beigetragen haben, "insbesondere bei den vormals Katholischen", erklärte die Soziologin und Autorin der Untersuchung, Petra-Angela Ahrens, am Mittwoch in Hannover. In erster Linie vollziehe sich der Austritt jedoch als Prozess, der häufig schon mit einer fehlenden religiösen Sozialisation beginne.

Bei den weiterreichenden Gründen für den Kirchenaustritt kristallisiere sich eine empfundene "persönliche Irrelevanz" von Religion und Kirche als wichtiger Faktor heraus, so die Soziologin Ahrens. Vormals Evangelische führen mit als Grund für den Kirchenaustritt die Ersparnis der Kirchensteuer an. Ahrens:

"Damit bestätigt sich die geläufige Figur einer 'Kosten-Nutzen-Abwägung' zur Kirchenmitgliedschaft, die bei fehlender religiös-kirchlicher Bindung einen Austritt wahrscheinlicher macht."

Einordnung der Kirchenaustrittszahlen in den bundesweiten Trend

Die bayerische Landeskirche liegt mit ihren Austrittszahlen im bundesweiten Trend. Nach den Zahlen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) traten rund 280.000 Menschen aus der Kirche aus. Ende vergangenen Jahres gehörten 19,7 Millionen Deutsche (23,7 Prozent) einer der 20 evangelischen Landeskirchen an, das sind 2,5 Prozent weniger als im Jahr zuvor.

Hält auch der bisherige Trend des Mitgliederrückgangs in der katholischen Kirche an, könnte erstmals der Anteil der evangelischen und katholischen Christen an der Gesamtbevölkerung in Deutschland unter die 50-Prozent-Marke sinken. Die katholische Kirche veröffentlicht ihre Mitgliederstatistik im Sommer. In den vergangenen Jahren hatten evangelische und katholische Kirche ihre Zahlen stets gemeinsam veröffentlicht.

"Zwar hängt die Ausstrahlkraft einer Kirche nicht allein an der Zahl der Mitglieder, die ihr formal angehören, trotzdem werden wir sinkende Mitgliederzahlen und anhaltend hohe Austrittszahlen nicht als gottgegeben hinnehmen, sondern dort, wo es möglich ist, entschieden gegensteuern",

sagte die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus. Dazu beitragen sollen in diesem Jahr den Angaben zufolge gezielte Taufinitiativen. In vielen Landeskirchen würden derzeit besondere Taufangebote unterbreitet, damit Familien, die während des Lockdowns kein Tauffest feiern konnten, Taufen nachholen können.