Kein Staatsakt und keine Gäste: Das Gedenken zum 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs fiel am 8. Mai wegen der Corona-Pandemie anders aus als ursprünglich geplant. In Berlin legten Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie die Spitzen von Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht Kränze nieder. Steinmeier erinnerte in einer Ansprache an die Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus. Ein Staatsakt mit Gästen aus dem In- und Ausland wurde abgesagt.

Vor dem Gedenken der Staatsspitzen fand im Berliner Dom ein ökumenischer Gottesdienst statt und wurde in der ARD übertragen. In der Predigt riefen der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing zum Frieden auf.

Die Deutschen hätten ganz Europa und weite Teile der Welt ins Elend gestürzt, sagte Bedford-Strohm.

Nie mehr werden wir zulassen, dass sich der Ungeist, der so viel Leid verursacht hat, der millionenfachen Mord verursacht hat, wieder ausbreitet, sagte der bayerische Landesbischof. Gott vergisst nicht.

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, sagte, mit dem 8. Mai 1945 habe das bislang finsterste Kapitel der europäischen Geschichte geendet. Heute forderten die Kriege in Syrien, anderen Ländern des Nahen Ostens und in Afrika, in der Ukraine sowie die Toten im Mittelmeer heraus - und zwar jeden Einzelnen. Frieden lässt sich nicht einfach herbeiorganisieren, sagte der Limburger Bischof. Er braucht Menschen, die eine Hoffnung in sich tragen.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) betonte im ZDF-Morgenmagazin, dass der 8. Mai 1945 ein Tag der Befreiung gewesen sei. Deutschland als Land, das den Krieg über die Welt gebracht habe, trage eine besondere Verantwortung für den Kampf gegen Rechtextremismus und Antisemitismus.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) rief dazu auf, sich für eine Stärkung Europas einzusetzen. Aus dem Kriegsende folgt die Verpflichtung für Europa, sagte Schäuble dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Man müsse aus dem Zweiten Weltkrieg lernen. Sein Entsetzen über den Holocaust und diesen Krieg wachse immer weiter. Je älter ich werde, umso fassungsloser werde ich, sagte Schäuble.

8. Mai 1945 - Tag der Kapitulation

Zur Erinnerung an den 8. Mai 1945, dem Tag der Kapitulation Deutschlands, war ursprünglich ein Staatsakt geplant. Im Berliner Regierungsviertel sollten rund 1.600 Gäste unter anderem aus dem diplomatischen Corps und von einer internationalen Jugendbegegnung teilnehmen, wie es aus Kreisen des Bundespräsidialamts hieß. Bereits im März wurde der Staatsakt abgesagt, der in der Geschichte der Bundesrepublik erst der zweite anlässlich des Tages der Befreiung gewesen wäre.

Die Absage sei "bitter", erklärte Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und versicherte gleichzeitig: "Nie werden wir Deutschen vergessen, welches Leid und Elend wir mit dem Zweiten Weltkrieg über andere Völker gebracht haben."
Mit dem Überfall auf Polen begann das Deutsche Reich am 1. September 1939 den Zweiten Weltkrieg. Zwischen 60 und 70 Millionen Menschen kamen ums Leben. Sechs Millionen Juden fielen dem nationalsozialistischen Rassenwahn zum Opfer. Das militärische Eingreifen der Alliierten - der USA, der Sowjetunion, Frankreich und Großbritannien - führte zur Kapitulation der Deutschen, die bereits am 7. Mai in Reims erklärt und einen Tag später in Berlin wiederholt wurde.

8. Mai als bundesweiter Feiertag?

Zum 75. Jahrestag flammte in diesem Jahr erneut eine Diskussion darüber auf, den 8. Mai zum bundesweiten Feiertag zu erklären. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) erklärte in Erfurt, das würde der Bedeutung des Datums Rechnung tragen. Der 8. Mai ist in diesem Jahr nur in Berlin einmalig ein Feiertag. Für ihren Antrag, das künftig bundesweit durchzusetzen, erhielt die Linksfraktion am Donnerstag im Bundestag nur Zustimmung von den Grünen. Die Mehrheit im Parlament stimmte dagegen.

Kirchenvertreter riefen anlässlich des 8. Mai dazu auf, weltweit für Frieden und Gerechtigkeit einzutreten. Die westfälische Präses und stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus erklärte in einer Videobotschaft, der Gedenktag verpflichte zu einem Engagement gegen Antisemitismus und für einen gerechten Frieden.

Der rheinische Präses Manfred Rekowski schrieb in einem Blog-Beitrag, zum Gedenktag gehöre nicht nur ein "Nie wieder", sondern auch ein "Immer wieder" verbunden mit der Aufforderung, immer wieder für den Frieden einzutreten. Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung erinnerte daran, dass nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit der Gründung der Vereinten Nationen und dem Versöhnungs- und Integrationsprozess in Westeuropa die Basis für Frieden und Wohlstand gelegt worden sei. Die UN wollen am Freitag mit einer Gedenksitzung in New York ebenfalls an das Kriegsende erinnern.