Antonia Landois vom Stadtarchiv Nürnberg weiß, wieso das kleine Museum für Ortsgeschichte und Bestattungskultur mit nur drei Räumen einzigartig in Deutschland ist: Seit 1529 steht das Totengräberhaus auf dem Friedhof Wöhrd und ist damit das älteste Gebäude des Stadtteils. Mittendrin zwischen den Grabanlagen lebten dort jahrhundertlang die Totengräber. "Wir sind hier also an einem authentischen Ort für ein solches Museum", sagt Landois. Nur in Kassel gebe es in Deutschland noch ein Museum, das sich mit Sepulkralkultur beschäftige.
Die Leiterin für Nichtamtliches Archivgut und archivische Sammlungen am Nürnberger Stadtarchiv hat die Textfahnen und Schautafeln zusammen mit ihren Kollegen Alice Olaru und Helge Weingärtner konzipiert, nachdem sich Jörn von Rochow, Mitglied des Kirchenbauvereins, an das Archiv mit der Idee gewandt und gebeten hatte, das erst vor wenigen Jahren aufwendig instand gesetzte Baudenkmal neu zu beleben.
Wie der Totengräber lebte
Im Hauptraum werden an fünf Stationen die Topografie des Wöhrder Friedhofs, Geistliche und Gemeinde, die Begräbniskultur, der Friedhof als Wohnort und die Lebensverhältnisse der Totengräber vorgestellt. Daneben geben vier Tafeln Einblicke in die Ortsgeschichte des Stadtteils, der während des Zweiten Weltkriegs stark zerstört worden war.
In einem weiteren Raum kann man in die Lebenswelt des Totengräbers und seiner Familie eintauchen und an Hörstationen nachgesprochene Berichte vom Leben auf dem Friedhof erfahren. "Hier haben einmal sechs Kinder geschlafen", sagt Landois und zeigt auf einen Strohsack samt -büschel, der das karge Bett der früheren Bewohner darstellen soll.
Der Blickfang ist aber ein Sarg, in dem ein Spiegel den Besucher begrüßt – und darauf verweist, dass man möglicherweise bald der Nächste ist. Für die Umsetzung zeigte sich die Nürnberger Agentur "Winkler-Werbung" verantwortlich.
Mit der eigenen Vergänglichkeit beschäftigen kann man sich im dritten Raum. Ein Satz des römischen Kaisers Marc Aurel auf einer Fahne, vor der man sich auf einen "Platz der Erinnerung" setzen kann, verweist darauf, dass der Tod zum Leben gehört. Daneben an einer Stele eine Bibelstelle aus dem Kohelet-Buch nebst einer Eieruhr, wie man sie eher in einer Sauna vermutet. An diesem Ort der Einkehr steht sie aber eher für mentale Wellness.
"Eine gelungene Gemeinschaftsarbeit von Stadt und Kirchengemeinde", beschreibt Pfarrer Carsten Fürstenberg das Projekt. Im Zuge der Recherchen sei vieles, was bislang unbekannt war, ans Licht gebracht worden. Beispielsweise, dass es vor der 1642 erfolgten Erbauung der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Kapelle auf dem Friedhof noch ein weiteres Gebäude für Leichenpredigten und ein Beinhaus gab.
Eine kuriose Geschichte ist die des Findelkinds, das 1682 hier aufgefunden wurde. Außerdem ist nun bekannt, in wie schlechtem Zustand sich das Häuschen im 19. Jahrhundert befand – so elend, dass der Pfarrer sich veranlasst sah, einen Brandbrief zu schreiben.
Die Ausstellung ist dienstags bis freitags von 10 bis 16 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei. Ein barrierefreier Zugang ist aufgrund der denkmalgeschützten Bausubstanz nicht möglich. Die Inhalte werden noch in einer virtuellen Präsentation zugänglich gemacht.
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