Nach langem Ringen hat Oberbürgermeister Marcus König jetzt angekündigt, dass jüdische Geschichte bei der Neukonzeption des Stadtmuseums im Fembo-Haus inhaltlich wie museologisch intensiv aufgegriffen und präsentiert werden soll.
Ausschlaggebend war neben dem hohen Engagement religiöser Vertreter sowie Kulturinteressierter nun die gefundene Inschrift, die einen von drei Schutzsprüchen darstellt, die mittel- und osteuropäische Juden seit dem Mittelalter gerne an ihren Türen anbringen, erklärt Sebalduspfarrer Martin Brons.
Die Fragen, die er sich ebenso wie die IKGN schon beim Fund des Grabsteins stellten, sind auch diesmal wieder die gleichen: Warum wurde die Tür hier eingebaut, von wem und was hat er sich dabei gedacht? "Das Besondere ist, dass die Tür nicht nachträglich beschnitten wurde. Die Mauer müsste um das Jahr 1430 also um die Tür herum gebaut worden sein", sagt Brons.
Ob sich der einstige Bauherr einfach eine passende, zweckmäßige Tür herausgesucht hat, ob er sich bewusst für diese mit hebräischer Inschrift entschieden hat oder ob dieser Unheil abwehrende Spruch zum damaligen Zeitpunkt schon unter späteren Farbanstrichen verschwunden war, weiß man nicht. Der über der Tür angebrachte Grabstein zumindest war nachträglich in die Mauer eingebaut worden.
Schwere Erblast antijüdischer Darstellungen
Keine Frage ist für Pfarrer Brons und auch die Vertreter der IKGN aber nun, ob man diesem zweiten Fund eine besondere Bedeutung beimessen muss: "Es ist ein Zeichen, das uns praktisch vor die Füße gefallen ist", meint Brons, "um ein öffentliches Zeichen für die geschwisterliche Beziehung mit dem Judentum zu setzen, gerade an diesem Ort mit seiner schweren Erblast antijüdischer Darstellungen in und an der Sebalduskirche und der unerträglichen Schmähdarstellung der sogenannten Judensauplastik an der Kirche.
So lag es nahe, den hinter der Tür liegenden kleinen Raum, der ursprünglich als Abstellraum für Materialien der Gemeindegruppen und für Getränke geplant war, als öffentliches Einraum-Museum einzurichten.
Mindestens. Denn wenn es nach Brons und der IKGN geht, müssten diese Funde von der Stadt Nürnberg zum Anlass genommen werden, das bislang vernachlässigte Thema der Geschichte des Judentums nun endlich umfassend und koordiniert aufzuarbeiten und auch öffentlich zu präsentieren. Neben der Vernetzung verschiedener Museumseinrichtungen regt Brons einen innerstädtischen Denkmalweg an.
Idealerweise mit interaktiven Infostelen vom jüdischen Friedhof über den Hauptmarkt als einstigem Standort der jüdischen Siedlung über die Sebalduskirche mit Einbettung ihrer antijüdischen Darstellungen, dem geplanten Einraum-Museum im Pfarrhof und dem Stadtmuseum bis hin zur Kunstvilla am anderen Rand der Altstadt.
Günter Gloser unterstützt
Mit im Boot haben Sebalder Gemeinde und IKGN mit dem ehemaligen Staatsminister Günter Gloser auch einen prominenten Fürsprecher, der in einem Schreiben an den Nürnberger Oberbürgermeister zudem an das im nächsten Jahr stattfindende Jubiläum "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" erinnert.
Gloser kündigt eine Kooperation aus dem Vorstadtverein Wöhrd, Geschichte Für Alle und dem Förderverein Kunstvillige an, die "Jüdische Spuren in der Marienvorstadt" aufzeigen wollen. Gerade im Hinblick auf den Aufschub der Umgestaltung des Obstmarktes, der wie die Altstadt viele jüdische Spuren verbirgt, wäre der Beginn einer solchen Initiative in Nürnberg jetzt notwendig.
Gegenüber dem Sonntagsblatt bekräftigt Marcus König jetzt, dass insbesondere im historischen Gravitationsfeld von Hauptmarkt und Frauenkirche, St. Sebald, Sebalder Pfarrhof und Rathaus sowie Stadtmuseum ein integrierter und nachhaltiger Darstellungsansatz von enormer Bedeutung sei. "Das Stadtmuseum ist hier ein geeigneter Kristallisationspunkt", meint König. Ein "Runder Tisch" solle bald mit allen Akteuren unter Federführung der städtischen Museen stattfinden.
Viele Beiträge der Stadt Nürnberg zum Jubiläum geplant
Seitens des Bildungscampus Nürnberg seien für das anstehende Jubiläum unter anderem Stadtführungen zu jüdischer Frauengeschichte sowie der mehrteilige Kurs "Jüdische Künstlerinnen und Künstler in und aus Nürnberg" in Planung. Das Stadtarchiv konzipiere Blogbeiträge, die Persönlichkeiten jüdischen Glaubens porträtiert. Darunter der Verleger und Reichstagsabgeordnete Hugo Barbeck, der Kardiologe und Musiker Richard J. Bing oder der Fotograf Kurt Triest.
Das Stadtmuseum im Fembo-Haus sieht in Zusammenarbeit mit dem Kunst- und Kulturpädagogischen Zentrum der Museen in Nürnberg die jüdische Perspektive in der Reihe "Schätze aus den Kunstsammlungen" vor und erarbeitet kleine Ausstellungseinheiten, die zur "Woche der Brüderlichkeit" eingetaktet werden.
Eines der Themen laute "Die ehemalige Hauptsynagoge am Hans-Sachs-Platz (1874-1938). Rekonstruktion einer Leerstelle im Stadtmodell von 1935-1939". Das Künstlerhaus im KunstKulturQuartier mit der Kunstvilla gehöre zu den Initiatoren des Projektantrags "Jüdische Spuren in der Marienvorstadt".
Pfarrer Brons: Höchste Zeit
Bei allen Planungen stünden Historiker und Didaktiker zur Seite. "Denn jüdische Perspektiven und jüdische Geschichte dürfen nicht isoliert, sondern müssen als essentieller integraler Bestandteil der Stadtgeschichte Nürnbergs betrachtet werden", so König.
Es sei höchste Zeit, dass etwas getan werde, meint der Pfarrer der Sebalduskirche. "Nürnberg bleibt bisher zurück hinter der Chance, einen stadtöffentlichen und frei zugänglichen Kristallisationspunkt der Geschichte seiner jüdischen Bürger zu schaffen", sagt Brons. Nicht zuletzt angesichts der Rolle Nürnbergs im Zweiten Weltkrieg sei es erschütternd, dass man sich gerade in Nürnberg dieser Geschichte bisher nur ansatzweise und nicht im öffentlichen Raum gestellt habe.