80 Jahre nach dem deutschen Überfall auf Polen erinnern Politiker und Kirchen am Wochenende vom 1. September 2019 an den Beginn des Zweiten Weltkrieges und gedenken der Toten. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reist dazu ins polnische Wielun und nach Warschau. An der zentralen Gedenkveranstaltung in Warschau, bei der Steinmeier eine Rede halten wird, nimmt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) teil, wie Regierungssprecher Steffen Seibert mitteilte. In Warschau, Berlin und Frankfurt an der Oder finden zudem Gedenkgottesdienste statt. Der Koordinator für deutsch-polnische Zusammenarbeit, Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sprach sich für mehr gemeinsame Gedenkveranstaltungen aus.
Während als historischer Gedenkort in den vergangenen Jahren vor allem die Halbinsel Westerplatte bei Danzig im Mittelpunkt stand, wo deutsche Soldaten am frühen Morgen des 1. September 1939 nach inszenierten Vorfällen an der Grenze das Feuer auf ein polnisches Munitionsdepot eröffneten, lenken der polnische Präsident Andrzej Duda und sein deutscher Amtskollege Steinmeier in diesem Jahr den Blick auf die Stadt Wielun. Dort flog die deutsche Luftwaffe etwa zeitgleich zu den ersten Gefechten auf der Westerplatte mehrere Angriffe. Von den rund 15.000 Einwohnern kamen an diesem Tag mindestens 1.000 Frauen, Männer und Kinder ums Leben.
Gedenken in Wielun am 1. September 2019
Steinmeier und Duda werden für 1. September 2019 zum Gedenken in Wielun erwartet, das zum Zeitpunkt der ersten Angriffe vor 80 Jahren beginnt. Sie reisen später weiter in die Hauptstadt Warschau, wo am Mittag eine Gedenkfeier mit weiteren Staats- und Regierungschefs stattfindet. Aus den USA wird Vizepräsident Mike Pence erwartet. An dieser Veranstaltung wird auch Kanzlerin Merkel teilnehmen.
Auch die Kirchen gedenken am Wochenende der mindestens 60 Millionen Toten des Krieges. Der bayerische Landesbischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, nannte es ein "Zeichen der Stärke", wenn sich Deutschland auch zu diesem Teil seiner Geschichte bekenne und zu der Verantwortung, die daraus folge. Er predigt am Sonntag im ZDF-Fernsehgottesdienst, der aus Frankfurt an der Oder nahe der polnischen Grenze übertragen wird.
Bereits am Samstag feierten Polen und Deutsche in Warschau einen ökumenischen Gottesdienst. Es predigten die stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende und Beauftragte des Rates für die deutsch-polnischen Beziehungen, Annette Kurschus, und der Präsident des Polnischen Ökumenischen Rates, Bischof Jerzy Samiec. Zu einem Gedenkgottesdienst am Sonntag mit den evangelischen Berliner Bischof Markus Dröge im Berliner Dom wird unter anderen Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) erwartet. Vor ihrer Reise nach Warschau hob Kurschus die Notwendigkeit eines gemeinsamen Erinnerns von Deutschen und Polen hervor. Gegenseitiges Zuhören sei Voraussetzung für "gegenseitiges Verstehen und versöhnende Schritte auf einander zu", sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Denkmal für die polnischen Opfer der deutschen Besetzung Polens
In den vergangenen Tagen hatte es wiederholt Forderungen nach einem Denkmal für die polnischen Opfer der deutschen Besetzung Polens gegeben. Unterstützt wurden sie unter anderem von Bundestagspräsident Schäuble. Die Bundesregierung wollte sich am Freitag dazu nicht positionieren. Ein Denkmal, wie es jetzt in der Diskussion sei, bedürfe einer öffentlichen Debatte im Bundestag, sagte Regierungssprecher Seibert in Berlin. Das sei bei den Denkmälern für die ermordeten und verfolgten Juden, Homosexuellen oder die Opfer der nationalsozialistischen "Euthanasie"-Morde der Fall gewesen.
Brandenburgs Ministerpräsident Woidke bekräftigte seine Unterstützung für einen nationalen Gedenk- und Bildungsort für die Erinnerung an die Gräuel, die Deutsche Polen angetan haben. Er erinnerte in Berlin an die "beispiellose Gewalt", die das nationalsozialistische Deutschland über das friedliche Polen und später andere Völker Europas gebracht habe. Er plädierte dafür, den Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken und jedes Jahr gemeinsam mit Polen zu begehen.
Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, warnte vor dem Vergessen. Der von Deutschland vom Zaun gebrochene Zweite Weltkrieg sei der zerstörerischste der Menschheitsgeschichte gewesen. Er habe Millionen Menschenleben gefordert und zur fast völligen Vernichtung der Juden in Europa geführt, sagte die Holocaust-Überlebende und frühere Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland.