Zur "Nachtmusik", seit Jahrzehnten schon ein Kult-Ereignis des Würzburger Mozartfests, wird der Hofgarten der Residenz meist von Tausenden Besuchern gesäumt. Diesmal waren es gerade Mal 500 – mehr Menschen dürfen sich gemäß der seit dem 7. Juni geltenden 13. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung derzeit nicht gemeinsam an einem Ort bei kulturellen Veranstaltungen treffen. Und von dieser Zahl bei Openair-Veranstaltungen haben die Organisatoren des Mozartfests auch erst Anfang des Monats erfahren, wodurch die Planungen beim Ticketverkauf und Platzkonzept wieder angepasst werden mussten.

15 Monate nach dem ersten Lockdown ist es bei dieser "Nachtmusik" weniger die Maske, die beim Ein- und Ausgehen bis zum Platz getragen werden muss und die von einigen Musikern sogar während des rund anderthalbstündigen Konzertabends getragen wurde. Es sind auch nicht die verschärften und zur Gewohnheit gewordenen Kontaktbeschränkungen, die einen Besuch dieses besonderen Open Airs verwundern lassen. Dass die Reihen aber so überschaubar sind, fällt weitaus mehr auf. Das ist freilich derzeit auch im Stadion und bei Public Viewings zur Fußball-Europameisterschaft genauso – mit dem feinen Unterschied, dass bei diesen Events ein Vielfaches an Besuchern gegenüber der Kultur zugelassen ist. Intendantin Evelyn Meining ließ sich bei ihrer Begrüßung daher auch den Seitenhieb in Richtung Politik nicht nehmen, dass die Musikerinnen und Musiker des Hochschulsinfonieorchesters vielleicht eher "kicken" sollten, wenn sie 5000 statt 500 Gäste beglücken wollen.

Unbeschwerte Heiterkeit Mozarts

Als Dirigent Ari Rasilainen aber Jacques Iberts "Hommage à Mozart" anstimmt, sind solche Gedanken aber auch schon verfolgen. Das schwungvolle Stück des französischen Komponisten (1890 – 1962) reißt sofort mit und weist auf den roten Faden dieses Abends hin – Mozart (1756 – 1791) in der Spiegelung seiner musikalischen Nachfahren, Länder- und Epochengrenzen überschreitend, mit der unbeschwerten Heiterkeit, die auch als Lust an Virtuosität und Ausdruck in der Musik erscheint. Kurzweilig auch die "6 airs de danse dans le style ancien" des Franzosen Léo Delibes (1836 – 1891), Ibert, der seinen romantischen Ansatz dem Ideal der Wiener Klassik gegenüberstellt.

Landsmann und Zeitgenosse von Mozart war Joseph Haydn (1732 – 1809), dessen Konzert für Trompete und Orchester als sein bedeutendstes Konzert für ein Blasinstrument gilt. Von Haydn ist überliefert, dass der tief religiöse Komponist gerne den Rosenkranz zur Hand nahm, wenn er bei einer Komposition in einer Sackgasse steckte und seinen Partituren gerne ein "Laus Deo" als Gotteslob ans Ende stellte. Jürgen Ellensohn setzte an der Trompete bei diesem Orchesterstück den solistischen Glanzpunkt des Abends. Pjotr Iljitsch Tschaikowski (1840 – 1893) empfand seine Suite Nr. 4 G-Dur "Mozartiana" als klingende Projektionsfläche für das Gute, Wahre und Schöne. Dazu deutete der Russe vier kleine Spätwerke Mozarts orchestral neu aus, was für den ein oder anderen "Aha-Effekt" bei der Zuhörern sorgte. Die spritzig dargebotene, der Veranstaltung namensgebende "Kleine Nachtmusik" des Meisters selbst schloss dann mit ihren beliebten Themen den Reigen ab.

Orchester der Würzburger Musikhochschule

Vier Komponisten vierer Generationen, die alle eines eint: die Verehrung Mozarts als Symbol  gesunder Lebensfreude in der Musik. Tschaikowski bekannte, dass ihn dieser durch seine "Reinheit einer von Grübeleien nicht vergifteten Natur angezogen, getröstet und beruhigt" habe. Wie wohltuend diese vor fast 200 Jahren gewählten Worte gerade in diesen Zeiten tun. Die Musik jedenfalls entfaltete für das kleine "Nachtmusik"-Publikum an diesem Abend jedenfalls genau diese reinigende Wirkung. Dass das aus Studenten bestehende Hochschulsinfonieorchester Würzburg dabei vielleicht noch nicht ganz die klangliche und solistische Reife eines Profi-Orchesters mit langjährig erfahrenen Interpreten mitbrachte, hat man an diesem Abend angesichts des lange ersehnten Freiluft-Musikerlebnisses nach monatelanger Lockdown-Tristesse gerne in Kauf genommen.  

Mit der Wandlung der Wirkungs­geschichte Mozarts und seiner Musik beschäftigt sich im Übrigen derzeit auch die Ausstellung "Imagine Mozart – Mozart Bilder" im Museum Kulturspeicher, zu der Ex­ponate von Klee, Richter, Kokoschka, Schwind, Slevogt und anderen ausgestellt werden. Wer es nicht mehr bis zum 11. Juli in die Schau schafft, dem sei der reich bebilderte Katalog empfohlen.