Stoff für Diskussionen unter den Historikern birgt ein Werk aus der Werkstatt des Dürer-Lehrers Michael Wolgemut (1434-1519): Experten meinen, jetzt herausgefunden zu haben, wer der unbekannte Meister war, der das Peringsdörffer-Retabel in der Nürnberger Friedenskirche geschnitzt hat.

Seit jeher haben Historiker bei spätmittelalterlichen Bildschnitzern und Bildhauern in Nürnberg das Problem, dass man oft aus stilistischen Gründen ein Werk zwar einer Werkstatt, aber keinem Namen zuschreiben kann. So auch beim Peringsdörffer-Retabel. Manuel Teget-Welz von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und Benno Baumbauer, die Kuratoren der inzwischen geschlossenen Wolgemut-Ausstellung, wollen das Rätsel gelöst haben. Die beiden haben sich den Bildschnitzer "Sixtus Frei de Norimberga" näher angesehen, der aus Nürnberg stammte und dessen Werk größtenteils durch Quellen gesichert ist.

Teget-Welz ist von der Idee ausgegangen, dass es mit großer Wahrscheinlichkeit Werke geben muss, die Frei vor seinem Weggang nach Italien in seiner Heimatstadt Nürnberg hinterlassen hat.

Auf der Suche nach diesen Werken ist er auf das Peringsdörffer-Retabel und die Gruppe von Werken gekommen, die der bis dahin anonymen Werkstatt bereits von Kollegen zugeschrieben wurden, meint Baumbauer.

Schlüsselwerk für den Vergleich sei ein Kruzifix im Dom von Trient, das zwar ungleich expressiver gestaltet sei, aber in vielen Details den Nürnberger Skulpturen ähnlich ist. Im Katalog zur Wolgemut-Ausstellung begründet Baumbauer die Ähnlichkeiten der geschnitzten Figuren ausführlich. So gleichen beispielsweise Grundtypus und Proportionierung, Gesichtsausdruck, die Öffnung des Munds oder die Nase des Leichnams Christi in der Predella - dem Sockel des Altaraufsatzes - in Nürnberg dem Äquivalent in Trient.

"Aus dem Kollegenkreis haben wir bisher zwei Reaktionen von Leuten, die sich intensiv mit spätgotischer Skulptur beschäftigen - eine total bestätigend, eine ablehnend", erklärt Baumbauer das auch hier wieder auftretende Problem bei stilanalytischen Zuschreibungen.

Letztlich bleibe immer eine letzte Ungewissheit, denn was das Auge sieht, sei immer subjektiv. Es wird in Zukunft mit Sicherheit noch fleißig über Sixtus Frei und das Peringsdörffer-Retabel diskutiert werden.

Eigentlich ist die Geschichte, wie der Altar mit seinem imposanten Aufbau (Retabel) und den krönenden Schnitzarbeiten in die Friedenskirche gekommen ist, schon kurios genug. Die Friedenskirche im Nürnberger Stadtteil St. Johannis ist schließlich erst in den Jahren 1925 bis 1928 errichtet worden. Das von Sebald Peringsdörffer ursprünglich für die Salvatorkapelle der ehemaligen Augustinerkirche gestiftete Werk hatte da schon einige Jahre und einen Umzug auf dem Buckel. Nachdem im Zuge der Reformation die Klöster geschlossen waren, kaufte 1564 die Patrizierfamilie Haller das Retabel für ihre gestiftete Kapelle des Heilig-Kreuz-Spitals in Johannis. Dieses wurde dann ebenso im Zweiten Weltkrieg zerstört wie die nahe gelegene Friedenskirche, die von 1950 bis 1952 wieder aufgebaut wurde und dann das Retabel erhielt.

"Wir werden oft bei Führungen auf unseren Schatz angesprochen", erklärt Pfarrer Ulrich Willmer.

Wenn er je nach Kirchenjahreszeit die Ansichten des Retabels wandelt, zieht er weiße Handschuhe an, um die wertvollen Darstellungen aus dem Leben Mariens, dem Leben Jesu und seiner Passion nicht zu beschädigen. Ein kleiner Nachbau des Altars, der manchmal neben, manchmal hinter dem rund vier Meter hohen Werk steht, zeigt jeweils dessen Grundansicht.

Besonders freut es Willmer, dass sich auch die Konfirmanden im Wolgemut-Jubiläumsjahr mit eigenen künstlerischen Umsetzungen, die derzeit noch in der Kirche hängen, mit dem beeindruckenden Werk der Tafelmalerei befasst haben. Was wiederum daran erinnert, dass ein Werk wie das Peringsdörffer-Retabel eben ein Gemeinschaftswerk vieler ist. "Wir können nicht mit letzter Sicherheit sagen, wer der Urheber welcher Figur oder Darstellung ist", gibt Baumbauer zu. Auch wenn das Retabel klar aus Michael Wolgemuts Werkstatt stamme: Als Künstler bleibe er auch hier ein Phantom.