Frau Solga, seit einigen Jahren scheinen sich nicht nur Parteien in eher linken oder rechten Lagern einzureihen, sondern auch die, die über sie Witze machen – Kabarettisten. Wie sehen Sie das?

Simone Solga: Das ist sehr schade, weil Kabarett die Dinge ja von außen betrachtet und satirisch alles aufs Korn nimmt. Es gibt aber Kollegen, die Politiker jener Parteien, die sie selbst wählen würden, eher zu schonen scheinen. In der jetzigen Ampel-Regierung sind das Grüne und SPD, man arbeitet sich dafür an der FDP und an der Opposition sowieso ab. Ich verorte mich in der Mitte und teile daher überall aus, also gegen die Regierungsparteien genauso wie gegen BSW und AfD. Das ist für mich als Kabarettistin eigentlich selbstverständlich. Wenn manche Kabarettisten andere in ihre TV-Sendungen einladen, neigen sie auch dazu, eher diejenigen zu fragen, die ihnen von der Haltung her nahe stehen. All das zeigt wohl, dass die Welt des Kabaretts ebenso zerrissen ist wie unsere Gesellschaft.

Das sieht man ja auch an den drei jüngsten Landtagswahlen im Osten Deutschlands, woher Sie ja auch stammen. Welche Rolle spielt diese Herkunft für Sie eigentlich im Alltag?

Simone Solga: Viele sind ja der Meinung, man müsse mit dieser Ossi-Wessi-Zuschreibung mal aufhören. Ich habe damit kein Problem. Schließlich muss man ja irgendeine Bezeichnung für Menschen finden, die in völlig unterschiedlichen Gesellschaftssystemen aufgewachsen sind. Gerne wird dann darüber nachgedacht, ob es die Wende oder die wenige Erfahrung mit Ausländern sind, weshalb die Ostdeutschen jetzt häufig AfD oder BSW gewählt haben. Allerdings haben bei der letzten Bayern-, Hessen- oder der Europawahl vor allem viele junge Leute die AfD gewählt, und die haben keine gebrochenen Biografien erlebt. Oder nehmen Sie die jungen Menschen, die auf Sylt "Ausländer raus" gesungen haben, das waren auch keine armen Leute. Es ist also Quatsch, immer das Bild vom armen, bekloppten Ossi zu zeichnen.

Sind Sie manchmal genervt von einer solchen Etikettierung?

Simone Solga: Ja schon. Ein Herr Gauck hat beispielsweise einmal von "Dunkeldeutschland" gesprochen. Solche Worte trennen mehr als sie verbinden. Es ist übrigens auch ein Unterschied, wenn man noch in der DDR aufgewachsen ist. Dann vergleicht man die aktuelle Politik mit der von früher und stellt manchmal fest, dass es da Ähnlichkeiten im Umgang und der Kommunikation mit den Bürgern gibt. Vielleicht sollte man also den ehemaligen DDR-Bürgern öfters mal zuhören.

Immerhin hat sich in der DDR Ihre spitze Zunge schon herausgebildet. Wann haben Sie denn erstmals den Drang zum Reimen verspürt?

Simone Solga: In der DDR-Zeit ging das natürlich so nicht, da konnte man sich nicht einfach auf eine Bühne stellen und kritisch losreimen. Meine Stimme als Kabarettistin habe ich dann doch verhältnismäßig spät gefunden, mit Solo-Programmen bin ich seit rund 25 Jahren unterwegs. Ich fühle mich da aber authentischer, sage, was mich auf die Palme bringt. Das gipfelt jetzt gerade in Zeiten der Ampel-Politik.

Wie trennen Sie dann die private Simone Solga und die auf der Bühne?

Simone Solga: Mein Beruf und der darin begründete Abstand zum Privaten schafft es, die Dinge mit Humor zu sehen und den Humor zu ergründen, der auch im politischen und gesellschaftlichen Geschehen steckt. Das ist wie beim Arzt, der den Patienten im Sprechzimmer anders ansieht, als wenn er ihm im Bus begegnet. Ich suche immer nach dem Boden für Ironie. Da muss man zwischendurch auch mal verschnaufen und selbst lachen, sonst verbittert man.

Ihr YouTube-Format "Bettchen" ist ja während der Corona-Zeit entstanden. Wie kam es dazu?

Simone Solga: Wir waren in diesen Jahren ja alle sehr eingeschränkt, ich durfte nicht auftreten. Ein Freund empfahl mir dann, online etwas zu machen, damit die Leute mich nicht vergessen und ich in Übung bleibe. Mehr aus Spaß habe ich dann einfach mal in meinem Bett begonnen. Ein solches Umfeld hat man ja irgendwo immer – auch im Hotel auf Reisen oder wenn man mal bei Freunden ist. Und so gibt’s eben fast jeden Sonntag einen satirischen Wochenrückblick aus meinem "Bettchen". Dass sich das zu solch einem Erfolg entwickelt, hätte ich mir nicht träumen lassen. Ich habe unheimlich viele neue Fans und Reichweite gewonnen.

Würden Sie sogar mit Blick auf die Corona-Phase sagen, das "Bettchen" ist eine Errungenschaft dieser schwierigen Jahre?

Simone Solga: Ja, ich wäre diesen Schritt vielleicht nie gegangen. Mir hat diese erzwungene Ruhe sehr gut getan, raus aus dem Hamsterrad. Da wurde der Geist frei. Und man muss ja auch versuchen, trotz aller Umstände dem Geschehen etwas Gutes zu abzugewinnen. Sonst wird das Leben doch trostlos.

Gibt es in Ihrem Leben spirituelle Momente, in denen Sie solche Hoffnung schöpfen?

Simone Solga: Ich denke da zurück an meine Kindheit. Tiefste DDR-Zeit, in der Kirche kaum ein Thema war, ich war ungefähr sechs Jahre alt und in einem Tierpark unterwegs. Da erblickte ich zwei Flamingos auf einem Bein stehen. Plötzlich durchfuhr mich eine Gewissheit: Ich werde im Leben nie alleine sein. Irgendetwas spricht immer mit mir. Zwar stehe ich mit beiden Beinen mitten im Hier und Jetzt. Dieses Gefühl, dass ich aber immer begleitet werde, hatte ich seitdem immer wieder.

Wie fühlen Sie sich, wenn Sie eine Kirche betreten?

Simone Solga: Ich liebe Kirchen, besuche gerne die Leipziger Thomaskirche und die Bach-Motetten. Schon als junges Mädchen habe ich gerne Kirchen aufgesucht als einen Ort, der mich zur Ruhe bringt und ganz bei mir sein lässt. Wenn ich dann noch eine Orgel höre, fühl ich mich sogar berauscht. Und dann ist da wieder dieses Gefühl da, nicht alleine zu sein und die Welt wird in meinem Herzen größer. Das bringt mir Frieden.

Karten für den Auftritt von Simone Solga in der Nürnberger Tafelhalle gibt es beim Veranstalter, dem Nürnberger Burgtheater.

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