Ist die "Kirche am Ende"? Der evangelische Pfarrer und Autor Tilmann Haberer hat sein gleichnamiges Buch bei einer Podiumsdiskussion in der Evangelischen Studierendengemeinde (ESG) München vorgestellt - und stieß mit seinen Thesen auf deutliche Kritik beim künftigen Landesbischof Christian Kopp.

Er sei kein Freund der aktuellen "zu-Ende-Lyrik" in Gesellschaft, Politik oder Religion, sagte der Münchner Regionalbischof, der am 1. November das Amt von Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm übernimmt. Trotz der Prognosen von Mitglieder- und Kirchensteuerschwund sei er überzeugt, dass durch ein Nebeneinander von aktiven Gemeinden und freien Initiativen in Zukunft "ein buntes Bild" von Kirche entstehe. "Es wird auch in Zukunft eine evangelische Kirche in Bayern geben", urrteilte Kopp.

Kirche am Ende

In seinem Buch "Kirche am Ende. 16 Anfänge für das Christsein von morgen" schlägt Haberer vor, über einen Abschied von Kirchensteuer, Beamtentum von Pfarrpersonen und kirchlichen Immobilien nachzudenken, ebenso wie über den Versorgungsgedanken einer "Abokirche".

Schon jetzt würden sich Christinnen und Christen außerhalb der Kirche in kleinen freien Gemeinschaften und freiwilligen Projekten sammeln, als "Zuhörende" an sozialen Brennpunkten passgenaue Angebote für die Bedürfnisse von Menschen machen und durch ihren Lebensstil und ihr Engagement für Benachteiligte überzeugen.

"Viele dieser Gruppen stehen finanziell auf eigenen Füßen", betonte Haberer bei der Buchvorstellung. Es gebe keinen Zweifel daran, dass die Epoche der Volkskirchen angesichts der hohen Austrittszahlen endgültig zu Ende sei.

Theologen diskutieren über Kirchenmitgliedschaft

Der katholische Theologe und Achtsamkeitstrainer Michael Seitlinger erklärte, dass viele Menschen mittleren Alters derzeit noch aus "Übersprungssolidarität" an ihrer Kirchenmitgliedschaft festhielten. "Die Jungen machen das aber nicht mehr", warnte er.

Gerade die katholische Kirche habe von der Frauenordination bis zur Sexualfrage viele Fragen zu bearbeiten. Manche theologische Kernaussagen seien für Menschen nicht mehr nachvollziehbar: "Die Sühnetod-Theologie geht für viele gar nicht."

Regionalbischof Christian Kopp verwies auf die 6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die im November 2023 vorgestellt werde. Sie stelle fest, dass es trotz der großen Austrittszahlen einen "Sockel" von Mitgliedern gebe, der nicht unterschritten werde. "Es gibt einen Kern von Christinnen und Christen, die sagen: Die Abokirche ist voll mein Ding!", sagte Kopp.

Sich nur in Initiativen oder Projekten zu treffen, reiche diesen Menschen nicht aus. Zusammen mit den neuen, freien Angeboten von Formaten wie "FreshX" könnten sie eine "Netzwerk-Kirche" bilden. "Das ist jetzt schon Gegenwart", betonte der künftige Landesbischof mit Blick auf zahlreiche Formate innerhalb des Reformprozesses "Profil und Konzentration". "Der Mix wird die Zukunft", erläuterte Kopp.

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