Der Roman "Durch das große Feuer" beginnt in der Welt eines klassischen, englischen Internats, wo Henry Gaunt und Sidney Ellwood Klassenkameraden und enge Freunde werden.

Gaunt, ein introvertierter Halbdeutscher, steht unter dem Druck der Erwartungen seiner Mutter, während Ellwood charismatisch, romantisch und idealistisch ist. Als der Erste Weltkrieg beginnt, lässt sich Ellwood von patriotischem Eifer mitreißen, während Gaunt skeptischer ist, sich jedoch verpflichtet fühlt, sich einzuschreiben.

Schützengräben, Briefe, unausgesprochene Gefühle

Auf dem Schlachtfeld wird den beiden Männern schnell ihre jugendliche Unschuld genommen. Doch die Bindung zwischen Gaunt und Ellwood wird tiefer, und sie müssen sich der unausgesprochenen Wahrheit ihrer Gefühle füreinander stellen. Umgeben von Chaos, Todesangst und der Sinnlosigkeit der sie umgebenden Schützengräben.

Auf knapp 500 Seiten schildert die junge britisch-amerikanische Autorin Alice Winn, die in Paris aufgewachsen ist und an der Universität Oxford Geschichte studierte, die schwierige Liebe zwischen den beiden Männern und die Schrecken des Ersten Weltkrieges. Winn ließ sich von Schülerzeitungen inspirieren, die zwischen 1913 und 1919 an ihrer ehemaligen Schule, dem Marlborough College, veröffentlicht wurden.

Die Protagonisten Henry Gaunt und Sidney Ellwood wurden durch ihre Lektüre über Robert Graves und Siegfried Sassoon inspiriert. Dabei verwebt sie verschiedene Textformen wie Briefe, Gedichte und Zeitungsausschnitte, um die Atmosphäre der Zeit authentisch darzustellen.

Zwischen zarter Liebe und brutalem Schlachtenlärm

Doch die Grauen des Krieges und die verbotene Liebe zweier junger Männer darzustellen gelingt ihr nur in Maßen. Zwar versteht sie es, mit ihrer atmosphärischen Dichte und ihrer eindringlichen Erzählweise Spannung zu erzeugen und die Beziehung zwischen den Protagonisten, Gaunt und Ellwood, ist zweifellos das emotionale Herzstück des Romans. Aber die Darstellung der Liebe wird romantisch verklärt, wirkt klischeehaft, idealisiert, geglättet.

Auch die Schilderung des Krieges, obgleich intensiv und visuell kraftvoll, erreicht nicht die literarische Wucht, die Werke wie Erich Maria Remarques "Im Westen nichts Neues" zu Weltliteratur erhebt. Während Remarque es meisterhaft versteht, den Leser in die existenzielle Trostlosigkeit und den psychologischen Albtraum des Krieges hineinzuziehen, bleibt Winns Darstellung an der Oberfläche.

Ein starkes Debüt – aber kein literarisches Erdbeben

"In Memoriam" ist ein vielversprechendes Werk, das die Leserinnen und Leser mit seiner Atmosphäre und Erzählkunst in den Bann zieht. Doch in seiner Gesamtheit bleibt der Roman eher belletristisch als weltliterarisch.

 

Alice Winn (2023): Durch das große Feuer, Eisele, 495 Seiten, 24 EUR.

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