Sulzbach: Bayerische Jan-Hus-Stadt
Jede Menge Reformationsgeschichte in der Oberpfalz: Coburg und Augsburg mögen bayerische Lutherstädte sein, aber Sulzbach ist eine echte bayerische Jan-Hus-Stadt. Der böhmische Frühreformator hat Mitte Oktober 1414 im Gasthaus "Roter Krebs" übernachtet auf seinem Weg zum Konstanzer Konzil. Es war auch sein Weg auf den Scheiterhaufen.
Martin Luther selbst stellte sich in die Nachfolge des Ketzers, indem er sich auf dessen angebliche Prophezeiung vor seinem Tod bezog: "Sie werden jetzt eine Gans braten (denn Hus heißt eine Gans). Aber über hundert Jahren werden sie einen Schwan singen hören. Den sollen sie leiden. Da soll’s auch bei bleiben, ob Gott will."
Amberg: lutherisch, reformiert, lutherisch - katholisch
In der Reformationszeit flogen die Sympathien der Bevölkerung auch in der "Oberen Pfalz" den neuen Ideen zu. Aber auf die Bevölkerung kam es weniger an als auf die Wittelsbacher Landesherren. Sulzbach-Rosenberg war Teil des Herzogtums Pfalz-Neuburg. Pfalzgraf Ottheinrich ließ 1542 – trotz der mächtigen Münchner Verwandten, die es von Anfang an mit Rom hielten – in seinem Gebiet die lutherische Reformation einführen.
Amberg und die eigentliche "Obere Pfalz" waren mit der Kurpfalz verbunden. In Heidelberg hielten es Ottheinrichs Nachfolger mit dem Calvinismus. In der Zeit, als der reformierte "Heidelberger Katechismus" entstand, führten sie daher auch in "ihrem" Amberg den reformierten Glauben ein. Die Bevölkerung blieb weithin lutherisch. Es kam zu Spannungen, Protesten, ja sogar zu bürgerkriegsähnlichen Ausschreitungen wie 1592 beim "Amberger Lärmen". Ein calvinistischer Beamter wurde damals von einem lutherischen Mob aus dem Fenster geworfen.
Lutherisch, reformiert, lutherisch, reformiert – innerhalb weniger Jahrzehnte ging es in Amberg immer hin und her. Der Sulzbacher Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm war derweilen wieder zum katholischen Glauben übergetreten. Und "erlaubte" 1615 seinen Untertanen, es ihm gleichzutun.
Evangelischer Kirchenneubau mitten in der Sulzbacher Altstadt
Dann kam Friedrich V. von der Pfalz, der von der evangelischen Großmacht träumte und in den Dreißigjährigen Krieg taumelte.
In Böhmen, der Heimat des Jan Hus, standen sich 1620 am "Weißen Berg" die verfeindeten Wittelsbacher Verwandten, der katholische Maximilian aus München und der protestantische Friedrich V. aus Heidelberg, gegenüber.
Der katholische Sieg war total, Friedrich wurde danach in ganz Europa als Winterkönig verspottet. Die einst evangelische "Obere Pfalz" wanderte samt der prestigeträchtigen Kurwürde in den Besitz der noch mächtiger gewordenen Münchner Wittelbacher. Und die zögerten nicht, den Landstrich entschlossen wieder "katholisch zu machen". Das Amberger Jesuitenkolleg ist als "gegenreformatorischer Sperrriegel" bis heute bauliches Zeugnis dieser Geschichte.
In Sulzbach fand man 1652 mit dem "Kölnischen Vergleich" eine andere Lösung: das Simultaneum. Die gemeinsame Nutzung von Kirchen durch Katholiken und Protestanten war nie konfliktfrei. Aber von den ehedem 49 Simultankirchen rund um Sulzbach bestehen neun heute noch.
In Sulzbach endete das Simultaneum in der alten Stadtpfarrkirche am 2. Oktober 1957: Die evangelische Gemeinde hat – nach einem Entwurf des Architekten Gustav Gsaenger – mitten in der historischen Altstadt eine eigene Kirche, die Christuskirche, erbaut, in der nun die Amberger Landessynode eröffnet wird.