Siegfried Schneider, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), fordert angesichts des digitalen Wandels Änderungen in der Ausbildung von jungen Journalisten. Denn schon bald werde UKW durch neue digitale Sendeformen wie DAB+ abgelöst sein, was auch Folgen für die Journalisten-Ausbildung haben müsse. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) gibt BLM-Chef Schneider auch Einblick in seine privaten Hörgewohnheiten - er schaltet gern Klassik-Radio oder Nachrichten-Sendungen ein.
In Bayern sind Sie qua Amt für alle privaten Sender zuständig. Was hören Sie privat?
Siegfried Schneider: Meinen Tag beginne ich meist mit Klassik-Radio. Weil ich wissen muss, was sich in Bayern so politisch tut, höre ich viele Nachrichtensendungen - auch im Bayerischen Rundfunk. Ich bin ein richtiger Nachrichten-Junkie, was wohl auch mit meinen früheren politischen Funktionen zu tun hat. Am Abend und am Wochenende sehe ich wenig fern, nicht einmal den "Tatort", sondern lese lieber, zum Beispiel mit Genuss die Printausgabe einer Wochenzeitung.
Wie steht denn die Radio- und Fernsehlandschaft in Bayern gerade auch im bundesweiten Vergleich da?
Schneider: Sowohl ökonomisch als auch in der Breite und Vielfalt ist die Hörfunk- und Fernsehlandschaft in Bayern im bundesweiten Vergleich einmalig. In Bayern gibt es eine ganze Reihe bundesweiter Sender, wie etwa Sky oder PRO7/SAT 1 mit einer entsprechenden Wirtschaftskraft und Anzahl an Beschäftigten. Im lokalen Bereich haben wir mit 65 UKW-Anbietern und 16 lokalen Fernsehangeboten eine sehr gute Durchdringung. Wenn man dazu noch die Satellitenverbreitung nimmt, kann bei uns wirklich jeder die lokalen und regionalen Nachrichten bekommen, die er sich wünscht.
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Wo sehen Sie Nachholbedarf, gerade im Vergleich mit der EU oder den USA?
Schneider: In den USA sind die Sender wesentlich stärker sublokalisiert als bei uns. Sie haben Einzugsgebiete von 300.000 oder 400.000 Menschen und können viel tiefer in die regionalen Strukturen gehen. Das zu erreichen, ist vor allem eine Kapazitäts- und Finanzfrage. Einen grundsätzlichen Nachholbedarf sehe ich bei der Aus- und Fortbildung. Denn wir brauchen gut ausgebildete Mitarbeiter, um ein gutes Programm machen zu können. Es ist ja schön, dass viele junge Leute beruflich bei den privaten und lokalen Sendern einsteigen - meistens mit einem Volontariat. Sie brauchen aber auch den Blick über den lokalen Bereich hinaus. Dringend wäre hier vor allem eine Fortbildung für Social-Media-Aktivitäten, wie Facebook und Twitter. Denn ein junges Zielpublikum erreicht man am besten über diese Medien.
Ist es dann nicht geradezu kontraproduktiv, dass Sie den Ausbildungskanal AfK einstellen oder zurückfahren wollen?
Schneider: Da sind wir jetzt im Bereich der "alternativen Fakten" gelandet. Denn da wird gar nichts eingestellt, ganz im Gegenteil. Mir geht es darum, dass der AfK seine inhaltliche Ausrichtung ändert, weg von UKW, weil es in zehn Jahren kein UKW im bisherigen Umfang mehr geben wird. Darauf muss sich die Ausbildung einstellen und die jungen Leute müssen darauf vorbereitet werden, wie sie in Zukunft ihre Zielgruppen professionell erreichen können. Außerdem wird durch den Ausbau von WLAN das Smartphone zum Eintrittskanal für das Radio. Deshalb möchte ich das Radio auch im Web haben. Der Ausbildungskanal, den wir immerhin mit 800.000 Euro im Jahr finanzieren, soll dabei zu einer Art Speerspitze der digitalen Entwicklung werden.
In welchen Zeiträumen sehen Sie das Ende von UKW?
Schneider: Derzeit ist die Marktdurchdringung vor allem noch über UKW gegeben. Die Sender halten deshalb noch verständlicherweise an UKW fest. Die Marktdurchdringung mit digitalen Sendeformen wie DAB+ wird aber weiter zunehmen und dann wird die Umstellung rasant vonstattengehen. Schon Ende 2018 wird jeder Sender in Bayern, der will, über DAB verbreitet sein. In Südtirol wird beispielsweise bereits Ende dieses Jahres UKW abgeschaltet.
Gibt es bereits Auswirkungen des neuen Bayerischen Mediengesetzes, das eine Stärkung der lokalen und privaten Sender durch einfachere Kooperations-Möglichkeiten zum Ziel hatte?
Schneider: Da müssen wir abwarten, weil bisher noch kein Fall an uns herangetragen wurde. Allerdings steht für mich außer Frage, dass auch unter den neuen Rahmenbedingungen, die Kooperationen von Sendern erleichtern sollen, die Angebots- und Anbietervielfalt erhalten bleiben muss. Wir werden also auch künftig sehr darauf achten, dass es nicht zu Verdichtungen kommt, dass also in einer Region nicht Zeitung, Radio und TV in einer Hand liegen.
Angebotsvielfalt garantiert aber vor allem das duale System. Ist es angesichts der medialen Umbrüche noch zeitgemäß?
Schneider: Ich sage voller Überzeugung, dass wir in Deutschland stolz sein können auf ein gutes öffentlich-rechtliches Angebot. Das ist im internationalen Vergleich eine Besonderheit. Dazu kommen als unverzichtbare Ergänzung die Angebote der privaten Sender, weil sie ein viel differenzierteres Angebot machen können, nicht nur in der lokalen Tiefe, sondern beispielsweise auch mit ihren informativen Doku-Kanälen.
Allerdings sind diese qualitativ hochwertigen Angebote der Privaten nicht immer über den Markt refinanzierbar, auch weil die Möglichkeiten, Werbe-Einnahmen einzuspielen, sehr reglementiert sind. Um ein Beispiel zu nennen: Wenn ein Privater sich wegen eines Amoklaufs zu einer durchgängigen aktuellen Berichterstattung entscheidet, verliert er an diesem Tag bis zu einer Million Euro an Werbe-Einnahmen, was er nie mehr aufholen kann. Kinder- oder Kirchensendungen dürfen generell nicht durch Werbeblöcke unterbrochen werden. Da wünsche ich mir für die Privaten mehr Flexibilität und weniger Regulierung, damit sie auf Dauer konkurrenzfähig bleiben können.
…weshalb die Sender sich in Schleichwerbung flüchten…
Schneider: Schleichwerbung im klassischen Sinne gibt es kaum. Wir haben es vielmehr mit Grauzonen zu tun, wenn etwa wegen der mangelnden Schulung der Mitarbeiter Pressemeldungen von Unternehmen unbearbeitet verlesen werden oder wenn die Protagonisten einer Serie direkt danach als zentrale Figuren in der Werbung auftauchen. Da sind ganz saubere Cuts nötig, und wir als BLM achten sehr darauf, dass das auch passiert.
Durch das Internet verschmelzen Radio, TV und Online-Angebote immer mehr miteinander, Meinungen werden manipuliert, Roboter können Wahlen entscheiden. Eine problematische Entwicklung?
Schneider: Dieser Trend ist da und er macht mir Sorge. Rechtsradikale Seiten sind inzwischen so clever gemacht, dass die entsprechenden Hinweise, mit was es der Nutzer da zu tun hat, oft erst auf der dritten oder vierten Ebene auftauchen. Und weil die Technik immer schneller vorangeht als die Regulierung durch den Gesetzgeber, hinken wir da zwangsläufig hinterher. Um dem abzuhelfen, müssten die Gesetze breiter angelegt sein, damit wir auf Fälle reagieren können, die es bei der Formulierung der Gesetze noch gar nicht gab. Es ist doch ein Unding, dass der Vorgänger des 2016 erlassenen Jugendmedienschutz-Gesetzes aus dem Jahr 2003 stammte, als Phänomene wie etwa Facebook noch völlig unbekannt waren. Mindestens genauso wichtig ist aber eine fundierte Medienkompetenz, damit vor allem Jugendliche einordnen können, was ihnen da so im Netz alles begegnet.
Was können die Kirchen tun?
Schneider: Die Kirchen haben die immens wichtige Aufgabe, in einer breiten gesellschaftlichen Diskussion die Frage anzustoßen, welche Risiken und Chancen das für die Gesellschaft und das Zusammenleben der Menschen hat. Darüber hinaus sollten die Kirchen ganz konkret und energisch die Medienkompetenz voranbringen, etwa in ihren Bildungswerken. Das sollte gerade auch ein wichtiges Thema der Erwachsenenbildung sein, damit es zu keiner Kluft zwischen den Generationen kommt und die Großeltern weiterhin mit ihren Enkeln kommunizieren können, wenn auch in neuen digitalen Formen.
Nach dem Fasching steht die Fastenzeit an, in der die Evangelische Kirche mit Aktionen für ein Überdenken von eingefahrenen Verhaltensweisen wirbt. Käme für Sie ein "Medienfasten" in Frage?
Schneider: So etwas könnte ich mir gerade in meiner Funktion nicht vorstellen, weil ich zum Beispiel nicht auf mein Smartphone verzichten will und kann. Dabei ist mir natürlich bewusst, dass ich viel zu häufig auf das Ding schaue. Ich schaue regelmäßig, welche E-Mails eingegangen sind und brauche diese Informationen auch. Allerdings betreibe ich schon seit vielen Jahren einen konsequenten Alkohol-Verzicht in der Fastenzeit - mit einer traditionellen Ausnahme: Eine alkoholfreie Starkbierprobe am Nockherberg geht nicht.