Niemand hat sich "heulend in Fötusstellung auf den Boden" gelegt, wie der YouTuber LeFloid vor seinem Interview mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) scherzhaft befürchtet hatte. Die - traditionell von einer schwarzen Kappe halb verdeckte - Stirn konnte der Berliner Psychologie-Student dem Medienprofi Merkel allerdings auch nicht bieten. Am Montagabend wurde das mit Spannung erwartete Video schließlich veröffentlicht.

Seit der beliebte YouTuber vergangene Woche mitgeteilt hatte, die Kanzlerin habe seine Interview-Anfrage akzeptiert, berichtet die deutsche Medienlandschaft intensiv über den 27-Jährigen Blogger. Die einen feiern ihn als "Anchorman der Generation YouTube", die anderen kritisieren unzureichende Recherchen und sensationslüsterne Videos.

2,6 Millionen Abonnenten

LeFloid, mit bürgerlichem Namen Florian Mundt, wurde mit seinem Nachrichtenformat "LeNews. Action News. Aber hart!" auf der Videoplattform YouTube berühmt. Der Student hat bei mehr als 2,6 Millionen Abonnenten, während die Bundesregierung lediglich 13.000 Anhänger zu verzeichnen hat. Mit seiner lockeren, unkonventionellen Art kommentiert LeFloid zwei mal wöchentlich in etwa zehnminütigen Clips das aktuelle Weltgeschehen. Klassische Nachrichtenmedien sind weit davon entfernt, eine ähnliche Resonanz unter jungen Zuschauern zu finden.

Junge Menschen "wollen sich nicht hinsetzen und wie bei der 'Tagesschau' in 15 Minuten zehn Themen reindrücken lassen, von denen sie die Hälfte bis zum 'Tatort' wieder vergessen haben", sagte LeFloid in einem Interview mit dem "Spiegel". Der Student sendet aus seinem Schlafzimmer, zappelt vor Postern und einem lebensgroßen Star-Wars-Stormtrooper durch das Bild und schlägt sich angesichts der "Dummheit" von Politikern theatralisch mit der flachen Hand gegen die Stirn. Merkel bezeichnet er wahlweise als "Industriehure" oder einfach als "langweilige Mutti".

Als er der mächtigsten Frau der Welt dann allerdings im Kanzleramt gegenüber sitzt, scheint aus dem sonst so schnodderigen LeFloid ein braver Florian Mundt geworden zu sein. Er versucht, über große Politik zu reden und seriös zu sein, statt der Kanzlerin ungewöhnliche Antworten zu entlocken. Es scheint, als fühle Merkel sich sogar recht wohl. Als Mundt auf eine banale Antwort zum Thema TTIP sagt, so eine konkrete Aussage habe er noch nie zuvor gehört, entgegnet die CDU-Politikerin fast schon übermütig: "Wahrscheinlich hören Sie mir nicht immer zu."

Alles nur PR?

Der YouTuber scheint mit den merkeltypischen Schwurbelantworten überfordert zu sein. Er hakt nicht nach und lässt sich von der Kanzlerin schnell abspeisen. Der Kommunikationswissenschaftler Christoph Neuberger von der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität sieht die Gefahr, dass Blogger für PR-Zwecke missbraucht werden, weil sie kein journalistisches Handwerk wie Interviewtechniken gelernt haben.

Die Verbreitung von Nachrichten ohne professionelle Recherche einer journalistischen Redaktion sei kritisch zu beobachten, sagte Neuberger dem Evangelischen Pressedienst (epd). Vor allem, weil LeFloid für viele junge Menschen der erste Zugang zu Nachrichten sei. Im Februar hatte der YouTuber eine Falschmeldung übernommen. Er hatte behauptet, der russische Präsident Wladimir Putin wolle beweisen, dass der Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 von der US-Regierung geplant worden sei.

Trotzdem seien YouTube-Formate wie "LeNews" gut geeignet, um politikverdrossene Jugendliche für die Weltpolitik zu interessieren, sagte der Wissenschaftler. Zwar lassen die Vorschaubilder der Videos auf Sensationslust schließen - viel nackte Haut, Waffen und Blut - doch durch seine unverkrampfte Art und die ständige Frage "Was haltet ihr davon?" bringt LeFloid seine Zuschauer zum Nachdenken. Unter seinen Videos diskutieren seine größtenteils unter 25-jährigen Fans etwa über die Homo-Ehe, die Ukraine-Krise, Flüchtlinge in Deutschland, den "Grexit" oder gar die Ethik von Peter Singer.

Die Kanzlerin hat LeFloid leider seine unverkrampften Art vergessen lassen. Ein PR-Coup für beide Seiten: Der YouTuber bekommt Aufmerksamkeit, Merkel konnte ihr Wahlkampfprogramm an die junge Zielgruppe herantragen. Das Video wurde nicht einmal 24 Stunden nach dem Upload bereits fast eine Million Mal gesehen.