Muss man das Internet ausdrucken, um die Werke junger, online-beeinflusster Künstler im Museum zu zeigen? "Das haben wir nicht gemacht", sagt die Kuratorin der Ausstellung "Link in Bio. Kunst nach den sozialen Medien", Anika Meier, im Leipziger Museum der bildenden Künste. Und das ist auch gar nicht nötig. Denn so ungewohnt die Werke der 35 in der Schau gezeigten Künstler auch sein mögen, so plastisch sind sie auch.  

Gleich zu Beginn wird der Besucher abgeholt von einer allseits bekannten, aber längst wieder verflossenen Einrichtung des Internetzeitalters:

Als Rauminstallation hat der deutsche Medienkünstler Aram Bartholl die Original-Sitzreihe eines Kreuzberger Internetcafés ins Museum gestellt.

Über dessen Handvoll Bildschirme flimmert Kunst im Browser - in Anlehnung an Bartholls "Speed Shows", bei denen er von 2010 bis 2016 mehrfach für einen Abend dazu einlud, alle Rechner eines damals noch echten Internetcafés zu mieten und auf ihnen Ultra-Kurzzeit-Ausstellungen zu präsentieren. Auf den Bildschirmen der Museums-Replik wird indes in folgerichtiger Selbstreferenz die Geschichte der Netzkunst erzählt.

Auch nebenan spielt ein Künstler mit den Symbolen des Internetzeitalters und der modernen Konsumwelt - und mit den darin enthaltenen Spannungen und Gewaltpotenzialen: Das blaue Facebook-"F" hat der Belgier Tom Galle zum Brecheisen verbogen; das goldene Mc-Donald's-"M" ergänzte er um Fingerlöcher - jetzt ist es ein Schlagring.

Einige weitere Werke beschäftigten sich mit den Wirkungen, die der Hang - und nicht selten der Zwang - zur Inszenierung in sozialen Medien wie Instagram mit deren Nutzern macht.

Andy Picci aus Paris platziert dazu schlicht sein Smartphone auf einem Sockel. Wer sich nähert, erkennt auf dem Display den Künstler selbst, ganz in schwarz gekleidet und in einem weißen Raum. "Ich wollte mein digitales Ich in seinen eigenen Käfig stecken - in mein Smartphone", erklärt Picci.

Ähnlich gesellschaftskritisch wird es bei Thomas Webb. Der Londoner hat eine Künstliche Intelligenz programmiert: Über eine Spiegelfläche an der Wand kullern Smileys mit neutralem Strich-Mund. Stellt sich der Betrachter vor den Spiegel und schneidet Grimassen, imitieren die Smileys seine Gesichtsausdrücke. Das Resultat sei, erläutert Webb, nicht die eigentliche Emotion des Betrachters, sondern allenfalls ein oberflächliches Abbild - ganz wie beim Einsatz von Emojis in sozialen Netzwerken.

Im hintersten Raum der Ausstellung kehrt der Einfluss des Digitalen schließlich zurück zur Wurzel der Kunst des Museums: der Malerei. Hier hat zum Beispiel der Hamburger Chris Drange Selfies weiblicher Mitglieder des Kardashian-Clans vergrößert, mit Elementen klassischer Malerei kombiniert und die Motive schließlich als Ölgemälde in China malen lassen - ob aus Konsumkritik oder eher mangels eigener Fähigkeiten, bleibt offen.

Über Eck hängt Kristina Schuldt, Absolventin der Leipziger Meisterklasse Neo Rauchs. In ihrem Werk vereinen sich vollendete Maltechnik und motivische Anspielungen auf die Alten Meister mit Gliedmaßen, die Smartphones halten.

Gerade dieser Rückgriff auf die Malerei sei für ihn "die große Überraschung" in der Ausstellung, betont der scheidende Museumsdirektor Alfred Weidinger. "Etwas Zeitgenössischeres als das hier gibt es glaube ich sonst an keinem anderen Ort zu sehen", fügt er an. Er habe den Eindruck, hier passiere "etwas Spannendes".

Spannend ist in der Tat auch die von Kuratorin Meier aufgeworfene Frage, ob es in der Kunstwelt wohl eine Zeit vor und eine Zeit nach Instagram gibt oder einmal gegeben haben wird. Bis darüber ein abschließendes Urteil gefällt ist, sei zumindest festgehalten, dass auch die Kunst zu jenen Lebensbereichen gehört, die durch das Digitale in nicht eben geringem Maße umgewälzt werden.

Die Ausstellung "Link in Bio" im Untergeschoss des Museums der bildenden Künste ist bis zum 15. März 2020 zu sehen, immer dienstags und donnerstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr sowie mittwochs von 10 bis 20 Uhr.