Mit dem Finale und dem Spiel um Platz drei, dem "kleinen Finale", geht an diesem Wochenende die Fußball-Weltmeisterschaft in Russland zu Ende.

Sich diesem globalen Sportereignis zu entziehen ist fast unmöglich. Beim letzten Finale, 2014 in Brasilien, als Deutschland – lang, lang ist’s her – Weltmeister wurde, sahen weltweit mehr als eine Milliarde Menschen zu. In Moskau bekommt Deutschland nun seinen Nachfolger als Welt-Fußball-Champion. Wieder ist es eine EU-Nation (England ist ja noch dabei). Am Ende erwies sich diese WM als Europameisterschaft.

Abpfiff mit Putin statt Abpfiff für Putin heißt es in Moskau. Selbst mit einem neuen Weltmeister in ihren Reihen zeigt sich die Europäische Union derweil in wenig weltmeisterlichem Zustand. Die Migration und ihre Herausforderungen haben die Union an ihre Grenzen geführt. In Europa. Und in Deutschland.

"Nicht unilateral, nicht unabgestimmt, nicht zu Lasten Dritter" hat Unions-Kanzlerin Angela Merkel als unumstößlichen Rahmen für die deutsche Migrationspolitik vorgegeben. Irgendwie ironisch: Die deutsche Grenzöffnung für die Flüchtlinge im Herbst 2015 war genau das – unilateral, nicht abgestimmt und ein deutscher nationaler Alleingang. Und er zeitigt als Langzeitfolge, dass sich heute immer mehr europäische Grenzen schließen.

Seehofer, Söder, die CSU (oder die AfD) hin oder her: In der Weltrangliste des nationalen Egoismus liegt Deutschland trotzdem gerade eher hinten. Mit Kaczynski, Orban, Salvini, Kurz gehen in Europa derzeit andere Nationen steil. Von globalem Personal wie Trump, Putin oder Erdogan ganz zu schweigen.

Als "Europa-Meister" braucht sich im Land des entthronten Weltmeisters allerdings keiner zu fühlen. Viel zu lange hat es sich die deutsche Politik in der Migrations-Hängematte des Dublin-Systems bequem gemacht. Flüchtlinge? Die kamen in Griechenland, Italien, Spanien übers Mittelmeer. Konnten wir Deutsche etwas dafür, dass wir in einem Land ohne Mittelmeerküste leben müssen? Da fahren wir gern im Urlaub hin, aber Solidarität in Flüchtlingsfragen?

Vor der Flüchtlingskrise hat sich Merkel in den bald 13 Jahren ihrer Kanzlerschaft so gut wie nie als große Europäerin, Visionärin und als eine ausgezeichnet, die dieses existenzielle Friedens- und Zukunftsprojekt voranbringt.

Aller Verbrüderungsrhetorik der Populisten und Nationalisten weltweit zum Trotz ist es aber so: Die Internationale der Nationalisten ist nichts anderes als ein Widerspruch in sich, was spätestens an Zoll- und anderen Grenzen sichtbar wird. Der Wettlauf nationaler Egoismen führt nirgendwo anders hin als in: weniger Chancen und mehr Konflikte bis hin zu – Gott bewahre – neuen Kriegen.

 

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