Kinder lieben Fußball: Mitfiebern mit der Lieblings-Elf, Partien nachspielen, Fachsimpeln auf dem Pausenhof. Entsprechend groß ist die Euphorie für ein Großereignis wie die Fußball-Weltmeisterschaft. Einen altersgemäßen Weg zu finden durch all den begleitenden Kommerz, die Public Viewings und Fernseh-Marathons bis spät in die Nacht ist für Eltern gar nicht so einfach. Hier hilft ein eigener Spielplan für die Familie, erklärt die Leiterin des Bereichs Medienkompetenz und Jugendschutz der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), Verena Weigand, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Vorsitzende des Vereins Programmberatung für Eltern e.V. rät:

Statt Kinder zu öffentlichen Plätzen mit hochemotionalen und alkoholisierten Erwachsenen mitzunehmen, eignet sich besser ein eigenes Public Viewing mit anderen Familien.

 

Frau Weigand, in vielen Familien gibt es strenge Regeln, was den TV-Konsum gerade für Kleinkinder betrifft. Wie strikt sollten die auch während der WM eingehalten werden?  

Verena Weigand: Man muss sich bewusst machen, dass die 90 Minuten, die ein Fußballspiel dauert, für Kleinkinder eine sehr lange Zeitspanne sind. Je nach eigenem Interesse verfolgen sie das Spiel eine Weile, suchen sich dann aber wahrscheinlich alternative Beschäftigungsmöglichkeiten. Und das ist auch gut so. Wird in der Familie ein Spiel am Nachmittag angeschaut, können sie dabei sein, sollten aber die Möglichkeit haben, sich auch mit etwas anderem beschäftigen zu können. Still dasitzen und das Spiel verfolgen - das geht noch nicht.

Welche Regeln empfehlen Sie Eltern für den Fußballspiel-Konsum im TV für jeweils verschiedene Altersgruppen?

Weigand: Ab dem Grundschulalter bekommen Kinder die Aufregung rund um die WM immer mehr mit und wollen die Spiele verfolgen. Hier gilt es sich darauf zu einigen, wie viele Spiele und zu welcher Uhrzeit diese angesehen werden dürfen. Bei Spielen, die erst ab 20 Uhr beginnen, wird es auch für ältere Kinder zu spät - vor allem, wenn sie am nächsten Tag früh aufstehen müssen. In manchen Familien gibt es bei wichtigen Spielen eine Ausnahme, wenn die Kinder zum Beispiel davor einen Mittagsschlaf machen und das Spiel am Wochenende stattfindet. Andere Kinder dürfen auch nur die erste Hälfte sehen oder nur bis zu einer bestimmten Uhrzeit.

Vor allem, wenn am nächsten Tag Schule ist, sollte es jedenfalls nicht zu spät werden. Eltern sollten am besten im Vorfeld gemeinsam mit den Kindern Regeln aufstellen. Eine Idee wäre, vorab den Spielplan anzusehen und gemeinsam zu entscheiden, welche Spiele möglich sind, und welche nicht. So entsteht ein "Matchplan", an den sich alle halten müssen.

Mit Kindern zu Public Viewings? Ab welchem Alter ist das ok und worauf sollten Eltern bei der Wahl des Veranstaltungsorts achten?

Weigand: Hier kommt es sehr auf den Ort an. Im Biergarten neben dem Spielplatz ist es vielleicht noch ok, in einer großen Halle eher nicht. Großveranstaltungen mit steigendem Lärm- und Alkoholpegel können Kinder schnell überfordern. Gerade wenn die Emotionen hochkochen und die Nerven blank liegen, kann das Verhalten der Erwachsenen für Kinder durchaus befremdlich sein. Die bessere Alternative zum überfüllten Public Viewing: ein eigenes Public Viewing veranstalten und Familien zum gemeinsamen Schauen einladen.

 

Verena Weigand
Verena Weigand

Sammelbilder, Lebensmittel, Spielzeug - alles ist zur WM in den reizvollen Fußballmantel gehüllt. Wie reagieren Eltern auf entsprechende Konsumwünsche ihrer Kinder und die übermäßige Vermarktung des Ereignisses?

Weigand: Schon im Vorfeld geht die Vermarktung der Fußball-Weltmeisterschaft nicht an Kindern vorbei. Ob Sammelbilder, Fußball-Trikots oder Bälle: Kinder springen darauf an und möchten sicher das eine oder andere Produkt haben. Dagegen ist auch erst einmal nichts einzuwenden, wenn es sich im Rahmen hält und Kinder sich gezielt Produkte aussuchen. Gleichzeitig sollte klar sein, dass man nicht alles haben kann.

Das kann ein Anlass sein, mit Kindern über die Vermarktung der WM und das Millionengeschäft, das dahinter steckt, zu sprechen. Für Kinder ist es nicht leicht zu durchschauen, dass es um viel Geld geht, wenn ihre Fußballidole Werbung für ein bestimmtes Produkt machen. Eltern können sie dabei unterstützen, Vermarktungsstrategien besser zu verstehen und richtig einzuordnen.

Wegen der politischen Umstände im Gastgeberland gilt die WM in diesem Jahr als besonders umstritten. Lässt sich das Kindern auch schon vermitteln?

Weigand: Ab Mitte des Grundschulalters entwickeln Kinder Interesse an politischen Zusammenhängen. Vielleicht bekommen sie auch durch Medien oder Gespräche in der Schule etwas über die politischen Umstände in Russland mit. Hier sollten Eltern als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, um Fragen und Unsicherheiten aufzufangen. Hilfreich können auch Kindernachrichten sein, die oft komplizierte tagesaktuelle Themen kindgerecht erklären.