Norbert Pailer hat eine Mission: Er möchte den Menschen den Himmel näher bringen. Das ist doppeldeutig. Als promovierter Astrophysiker kennt er sich in der Welt der Sterne, Galaxien und Kometen bestens aus. Als Christ sieht er hinter dem gigantischen Kosmos das Wirken eines Schöpfers, der sich besonders für die Menschen auf dem winzigen Planeten Erde interessiert.
Lange Jahre war Pailer am Bodensee Programmleiter für die wissenschaftliche Raumfahrt beim größten europäischen Raumfahrtkonzern Astrium, der 2013 mit Airbus verschmolzen wurde. Sein Schwerpunkt lag auf der Analyse von interplanetarem Staub und auf der Kometenphysik. Für die Sonde Rosetta, die 2014 auf dem Kometen Tschuri ein Lande-Gerät absetzte, hat er Messgeräte mitentwickelt. Es gehörte zu den glücklichsten Momenten seiner wissenschaftlichen Laufbahn, als nach über zehn Jahren Flugzeit und einer Reise von 6,4 Milliarden Kilometern quer durch das Planetensystem erste Daten direkt vom Himmelskörper eintrafen.
Pailer: Wissenschaft und Religion kein Konflikt
Die Astronomie war in Pailers Jugendjahren eine Form der Flucht. Er wuchs in einer frommen Familie in einem frommen badischen Dorf im Pfinztal auf. "Da war viel geistige Enge, ich musste da raus", sagt der 66-Jährige. Zuerst wollte er Lokführer werden, dann entdeckte er die Welt der Sterne. Als ihn ein entfernter Bekannter mit Gesteinsproben vom Mond in Berührung brachte, die an der Universität Karlsruhe analysiert wurden, war es um ihn geschehen.
Zuerst studierte Pailer Kernphysik und spürte kleinsten Elementarteilchen im Mikrokosmos nach. Dann widmete er sich der Astrophysik und den Weltraummissionen. Wenn er von Sternhaufen, Galaxien und Kometenschweifen spricht, hellt sich noch heute seine Stimme von kindlicher Begeisterung auf - obwohl der 66-Jährige mittlerweile seit einem Jahr im Ruhestand ist.
Schöpfungsgeschichte ist kein Laborbericht
Einen Konflikt naturwissenschaftlicher Erkenntnisse mit dem christlichen Glauben hat Pailer nie wirklich wahrgenommen. Was die Bibel über die Schöpfung schreibe, sei kein Laborbericht, sondern die Schilderung eines Vorgangs, hinter dem der Urheber der Welt stehe.
Gerade in der Weltraumforschung müssen Wissenschaftler auf Hypothesen zurückgreifen. So gehen Astronomen davon aus, dass es im All eine "dunkle Komponente" aus Energie und Materie gibt, die fast zwanzig Mal so groß ist wie die helle, sichtbare Komponente. Nur mit diesem Postulat lässt sich gegenwärtig erklären, warum sich beispielsweise schnell um das Zentrum von Galaxien kreisende Sterne aufgrund der Fliehkraft nicht aus ihren Bahnen entfernen - sie werden offensichtlich von etwas angezogen, was nicht mit Licht wechselwirkt und deshalb unsichtbar bleibt. Pailer schmunzelt: "Wer sagt, er glaube nur, was er sehe, bekommt nicht nur in Glaubensfragen Probleme - sondern auch in der Astronomie."
Wunder gibt es in Bibel und Wissenschaft
Selbst die biblische Schilderung von Wundern hält er für vereinbar mit der Wissenschaft. Das letzte Jahrhundert mit seinen revolutionären Erkenntnissen etwa in der durch Statistik bestimmten Quantenphysik habe deutlich gemacht: Wunder sind nicht unmöglich, sie sind nur extrem unwahrscheinlich. "Wer heute die Existenz Gottes mit dem Hinweis auf die Naturwissenschaft ablehnt, lebt noch im Weltbild des 19. Jahrhunderts", ist Pailer überzeugt.
Als Ruheständler hält Pailer Vorträge, schreibt an einem Buch mit dem Titel "Der vermessene Kosmos" und engagiert sich ehrenamtlich in einer Baptistengemeinde in Friedrichshafen für Flüchtlinge. In kalten und klaren Winternächten sieht man ihn auch durch seinen Garten in Stetten bei Meersburg huschen. Dort baut er sein Teleskop auf und versucht selbst, zumindest optisch dem Himmel wieder ein Stück näher zu kommen.