Als Gertraud Oetken noch zur Schule ging und den Berufswunsch Fischerin nannte, erntete sie nur Lacher. Dabei lag die Wahl nahe, schließlich war ihr Vater einer von acht Berufsfischern am Zwischenahner Meer. Als der 1960 starb, wurde der damals 17-Jährigen von der Landwirtschaftskammer nahegelegt, in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten.

Drei Jahre später legte sie in Plön ihre Gesellenprüfung ab und 1969 in Starnberg auch ihre Meisterprüfung. Damals war Gertraud Oetken die einzige Fischermeisterin Norddeutschlands. Heute ist sie immer noch die einzige Inhaberin einer Berufsfischerlizenz am Zwischenahner Meer. Ins Boot steigt sie zwar nicht mehr, aber sie hat noch immer das Sagen in der traditionellen Fischerei Rabben.

"Von den Fischen im Zwischenahner Meer könnten wir nicht mehr leben", sagt Gertraud Oetken, geb. Rabben. Das Familieneinkommen sichert längst das "Nebengeschäft", der Fischhandel und vor allem die Gastronomie. Denn die Fischerei Rabben liegt unmittelbar am stark befahrenen Radwanderweg rund um den Binnensee bei Oldenburg. Dann sind die zwei Dutzend Tische fast durchgängig besetzt. Und die Ausflügler genießen Aal gebraten oder geräuchert, Zander, Lachs, Forellen und andere Leckereien aus See, Flüssen und Meer. Die Ware kommt nur noch zum geringeren Teil aus den Gewässern vor der Haustür.

Ein Sohn ertrank bei der Arbeit

"Der Zwischenahner Aal ist als Marke sehr bekannt", sagt Jürgen Oetken, der Sohn der Fischermeisterin. Er hatte als Zweitgeborener nicht geplant, den Familienbetrieb mit gut 350-jähriger Tradition fortzuführen. Aber der ältere Bruder Rainer, dem die Fischerei im Blut lag, wie seine Mutter berichtet, ist vor zwei Jahrzehnten tödlich verunglückt. "Er ist bei starkem Sturm rausgefahren und gekentert", sagt Gertraud Oetken, "das Meer hat ihn erst sieben Wochen später wieder hergegeben."

Während sich Jürgen Oetken weitgehend auf die Verarbeitung der gefangenen und zugekauften Fische sowie die Kunden im Laden und in der Gastronomie kümmert, fährt sein Vater Dieter noch zwei Mal die Woche hinaus, um Aalreusen und Stellnetze auszulegen. Doch lange wird der 78-Jährige auch nicht mehr machen können; das Rheuma plagt ihn.

6.000 Kilometer auf der Route des Instinkts

Dieter Oetken geht mit Besuchern schon mal den Weg zum Bootsanleger hinunter, um den kleinen Schuppen zu zeigen, in dem seine Berufsutensilien liegen. Seiner Frau, bei der er vor Jahrzehnten das Handwerk gelernt hat, zeigt er gerade eine Reuse, in die ein neuer Ring eingezogen werden muss, der das Netz offen hält, damit die Aale dort hineinschwimmen können. Die Fischermeisterin, die während ihrer Lehre auch bei einem Netzemacher das Fachwissen abgucken konnte, wird sich später darum kümmern. "Häufiger sind allerdings Löcher in den Netzen zu flicken, die von Booten gerissen werden", berichtet sie. Nicht nur die Zahl der Boote auf dem Zwischenahner Meer habe zugenommen, sondern auch ihre Größe. "Und damit die Tiefe ihrer Schwerter."

Zur Tradition des Familienbetriebs gehört auch die mündliche Weitergabe des Wissens. Seit Jahren bietet deshalb Jürgen Oetken Betriebsbesichtigungen an, auch für Gruppen von bis zu 60 Personen. Radwanderer, Reisegesellschaften oder Schulklassen sind dann ganz Ohr, wenn er Wissenswertes über den Aal erzählt. Dass der Fisch 6.000 Kilometer schwimmen muss, um im mittelamerikanischen Sargassosee zu laichen. Und dass die jungen Aale noch durchsichtig sind und deshalb Glasaale genannt werden. Dass sie ihrem Instinkt folgend in das 6.000 Kilometer entfernte Gewässer zurückschwimmen, aus dem ihre Eltern kamen, und dass sie mehr als 30 Jahre alt werden können.

Kormorane - Erzfeind der Fischer und Angler

Jürgen Oetken ärgert sich über die Kormorane, die rund ums Zwischenahner Meer in großer Zahl in den Bäumen nisten. Seit zwei Jahrzehnten sind sie die größten Feinde der Berufsfischer und Freizeitangler. Der Vogel brauche täglich ein Kilogramm Fisch, sagt Oetken, und er könne 20 Jahre alt werden. "Ein einzelner Kormoran frisst uns im Lauf seines Lebens für 15.000 Euro Fisch weg", rechnet Oetken vor. Die Vögel gingen auch gemeinsam auf Jagd, die einen aus der Luft, die anderen unter Wasser. So treiben sie sich die Fische zu.

Auch wenn Familie Oetken ihre Zukunft als Fischer nicht gerade rosig sieht, will sie auf jeden Fall an der Tradition festhalten. "In meiner Kindheit haben nicht nur fast alle Menschen rund ums Zwischenahner Meer vom Fischfang gelebt, sondern auch die zahlreichen Flüchtlinge aus Ostpreußen und den baltischen Ländern", erinnert sich Gertraud Oetken. "Fisch war das Einzige, was es ohne Karten zu kaufen gab. Das können wir doch jetzt nicht aufgeben."