Gut 700 Kindern hat Magdalena Habrik schon auf die Welt geholfen. "Der Moment, wenn man ein Kind willkommen heißen darf, ist immer noch großartig", sagt die Hebamme. Eine Geburt ist für sie mehr als ein medizinischer Vorgang. "Es ist die Transformation von Leben", sagt die 42-Jährige. Trotz allem medizinischen Wissen sei immer noch nicht geklärt, was letztlich die Geburt auslöst: Sind es die Hormone des Kindes oder die der Mutter? Habrik fasziniert dieses Geheimnis. "Geburt ist ein Wunder, das ich nur begleiten, aber nicht machen kann", sagt sie.
Vor zehn Jahren hat die gelernte Krankenschwester die Hebammenausbildung absolviert. Nach vier Jahren in der Geburtshilfe am Klinikum Landsberg wechselte sie ins Team des Münchner Geburtshauses. In den wohnlichen Räumen bringen im Jahr rund 240 Frauen ihre Kinder zur Welt. "Für eine gute Geburt braucht es Ruhe, Intimität, einen Raum des Wohlfühlens, Empathie, Vertrauen – und ein Gerät, um die Herztöne des Kindes abzuhören", zählt Habrik auf. Beim ersten Mal sei das Körpergefühl während der Geburt für Frauen fremd und erschreckend. "Unsere Aufgabe ist es, sie zu ermutigen", sagt sie.
Alte Kunst und modernes Wissen
Die Hebammenkunst ist alt. Traditionell ist das Wissen um die "Leopold´schen Handgriffe", mit denen Hebammen den Bauch der Schwangeren tasten: Wie groß ist das Kind, wie liegt es, wieviel Fruchtwasser hat es noch? "Wir sehen mit den Händen und bekommen dadurch ein klareres Bild als der Ultraschall", erklärt Magdalena Habrik.
Doch 80 Prozent des Berufs sei modernes Medizinwissen. Dafür ist die Geburtshelferin dankbar: "Wir können heute viele Situationen beherrschen und haben deshalb eine viel niedrigere Sterblichkeit von Müttern und Kindern." Dennoch plädiert sie für den sinnvollen Einsatz von Medizintechnik. Bei normalen Schwangerschaften sei Zeit fürs Gespräch wichtiger als piepende Geräte. "Wenn die Frauen sich verstanden und gut begleitet fühlen, gibt es meist sehr wenig Komplikationen", sagt die Hebamme.
Die hohe Zahl von Anfragen im Geburtshaus zeigt, dass sich viele Schwangere genau diese persönliche Betreuung wünschen. Habrik und ihre Kolleginnen können gar nicht alle Frauen aufnehmen, die gerne zu ihnen kommen würden. Aber auch an vielen Münchner Kliniken heißt es: wegen Überfüllung geschlossen. Und immer mehr Kreiskrankenhäuser schließen ihre Geburtsstationen wegen Personalmangel ganz. Jüngstes Beispiel Bad Tölz: Mitte 2017 soll hier Schluss sein. Frauen aus der Region, bei denen die Wehen einsetzen, müssen dann erst noch bis Miesbach, Wolfratshausen oder Weilheim fahren. Hebammen dort warnen vor mehr "Auto-Geburten" und den damit verbundenen Risiken.
Der Hebammenmangel kommt nicht von ungefähr: Die obligatorische Berufshaftpflicht kostet mittlerweile 6843 Euro im Jahr – 2004 waren es nur 1350 Euro. Als Folge werfen immer mehr selbstständige Hebammen gerade im ländlichen Raum das Handtuch, und der potenzielle Nachwuchs überlegt sich seine Berufswahl zweimal – zumal der Frauenberuf mit 24-Stunden-Bereitschaftsdienst nicht gerade familienfreundlich ist.
In armen Teilen der Welt ist Geburt ohne medizinische Begleitung Alltag. Eine biblische Geburt im Stall? Der Gedanke daran lässt Frauen hierzulande schaudern. "Es geht, natürlich", sagt Magdalena Habrik: "Aber trotzdem: Hochachtung vor Maria!"
An Weihnachten im Dienst zu sein, ist für die Geburtshelferin normal. Ein "Christkind" hat sie auch schon begrüßt: Letztes Jahr erblickte ein kleines Mädchen in den frühen Morgenstunden des Heiligabend im Geburtshaus das Licht der Welt. "Für die Eltern war das ein bisschen komisch, denn sie hatten mit Weihnachten gar nichts am Hut", erinnert sich die Hebamme.
Doch auch wenn kein Menschenkind zur Welt kommt, schätzt sie die Schicht an den Feiertagen. Mit der diensthabenden Kollegin zur Kirche gehen, bei einer Freundin Abend essen, gemeinsam im Geburtshaus feiern: "An diesen besonderen Tagen sind die Dienste oft besonders schön."
INTERNET: Das Geburtshaus München: www.geburtshaus-muenchen.de