Die Ergebnisse der von Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) in Auftrag gegebenen Hebammen-Studie sind noch nicht einmal einen Monat bekannt - da werden sie zum Teil schon in Zweifel gezogen. Die Kritiker stören sich weniger an den inhaltlichen Ergebnissen, sondern an deren Zustandekommen. Zum einen, weil sie die Rücklaufquoten der Befragung für zu gering halten, zum anderen, weil sich gerade Eltern mit einem eher niedrigen Bildungsniveau nur unterdurchschnittlich häufig an der Studie beteiligt haben. Die Frage sei daher, "wie aussagekräftig die Studie überhaupt ist", sagt Elisabeth Simon von der Diakonie Bayern.

Die Studie insgesamt kommt zu mehreren Ergebnissen, die längst nicht nur positiv sind: Bayernweit gesehen hatte jede vierte Schwangere ein Problem damit, eine Hebamme zu finden - in München waren es gar um die 40 Prozent. Anders ausgedrückt:

In der Landeshauptstadt mussten beinahe 30 Prozent der werdenden Mütter mehr als sieben Hebammen kontaktieren, bevor sie eine Betreuungszusage hatten, bayernweit lag diese Zahl bei vier Prozent.

Laut der Studie gab es 2016 in Bayern 2.990 aktive Hebammen, 2.700 davon waren freiberuflich. Über 80 Prozent der Hebammen arbeiteten allerdings mehr, als sie eigentlich wollen.

Die Vorsitzende des Bayerischen Hebammen Landesverbandes, Astrid Giesen, war an den Studien-Vorbereitungen beteiligt. Einige Ergebnisse haben sie positiv überrascht. Etwa, dass die Zahl der Schwangeren, die für die Geburtsvorbereitung oder Wochenbettbetreuung überhaupt keine Hebamme gefunden hatten, mit fünf Prozent "deutlich niedriger" ausgefallen sei, als ihre Kolleginnen und sie dies erwartet hätten. Diese Zahl sei aber sicher auch deshalb so niedrig, weil eben viele Hebammen mehr arbeiten als sie wollen und ihnen guttut: "20 Prozent wollen in den nächsten Jahren ihren Beruf aufgeben - das verschärft die Lage."

Diakonie-Expertin Elisabeth Simon will die Ergebnisse der Studie nicht in Gänze kritisieren, es gebe jedoch "Punkte, die man hinterfragen muss".

Knackpunkt sei, dass eben vor allem Frauen mit Migrationshintergrund kaum daran teilgenommen hätten. "Wenn sie mit Sprachproblemen oder niedrigem Bildungsniveau eine Hebamme anrufen, die ihnen gleich sagt, sie könne keine weitere Frau betreuen, geben sie vermutlich schneller auf, als die Uni-Doktorandin, die zu diskutieren anfängt - und damit die Hebamme möglicherweise überreden kann", sagt Simon. Dies zumindest sei die Rückmeldung aus den Schwangerschaftsberatungsstellen.

Diese Vermutung teilt auch Astrid Giesen. Und sie kritisiert auch die zum Teil niedrigen Rücklaufquoten insgesamt. Von den rund 3.800 Müttern, die zwischen Juni 2016 und Mai 2017 ein Kind entbunden hatten und in der Studie befragt wurden, beteiligten sich nur etwa 35 Prozent. Und auch nur 44 der 115 angeschriebenen Kliniken meldeten sich zurück. In ihnen fand allerdings gut die Hälfte aller Geburten in Bayern statt. Auch unter den Hebammen war die Beteiligung eher mau - nur 1.084 meldeten sich zurück. "Hebammen sind keine Papiertiger. Und viele sind wegen der seit Jahren anhaltenden Probleme auch frustriert", sagt Giesen.

Im bayerischen Gesundheitsministerium sieht man die Lage naturgemäß anders. Die Studie stelle die Versorgungslage und die Zufriedenheit der Schwangeren und Mütter mit der Hebammenversorgung in Bayern "gut dar".

Die Rücklaufquoten seien auch nicht zu niedrig, die Erhebung sei so konzipiert worden, dass sie ab 30 Prozent Rücklauf repräsentativ ist. Dass sich Mütter mit niedrigem Bildungsabschluss unterdurchschnittlich beteiligt haben, sei mit qualitativen Expertengesprächen ausgeglichen worden. Überdurchschnittlich oft hätten sich überdies Frauen beteiligt, die nicht in Kliniken entbunden hätten, sagte ein Ministeriumssprecher.

Sabine Simon von der Schwangerschaftsberatung der Inneren Mission München führt noch einen weiteren Kritikpunkt an. Die Zahlen stammen aus dem Zeitraum bis Mai 2017. "Seither hat sich viel getan", erläutert die Praktikerin. Die Zahlen sind ihrer Meinung nach längst überholt, vor allem in den Ballungsräumen. Viele der Geflüchteten, die in den Jahren 2015 und 2016 nach Deutschland gekommen seien, hätten Nachwuchs bekommen, viele erst nach Mai 2017 entbunden. "Die wurden allesamt nicht berücksichtigt - obwohl sie unserer Erfahrung nach eben zu dem Personenkreis gehören, die besonders schwer Hebammen finden."

Die Studie bezeichnet die Versorgungslage mit Hebammenleistungen in Bayern abschließend als "nicht stabil" - eine wichtige Erkenntnis, findet Hebammen-Verbandschefin Giesen. Um ihren Beruf attraktiver für den dringend benötigten Nachwuchs zu machen, sollte die Ausbildung an die Hochschulen verlagert werden. Eine neue EU-Richtlinie verlange für die Berufsanfängerinnen ab 2020 ohnehin eine zwölfjährige Schullaufbahn als Zugangsvoraussetzung: "Wer ein Abitur oder Fachabitur hat, der will meist studieren - also braucht es ein Hebammen-Studium, wenn wir den Nachwuchs nicht verlieren wollen", sagt Giesen.