Kontakte zu Eugen Drewermann laufen in der Regel über ein Paderborner Hotel in der Nähe seiner Wohnung. Hier sichtet er Faxe und Post, von hier führt er seine Telefongespräche. Internet, Computer, Telefon oder gar ein Handy gibt es im Privathaushalt des Autors nicht. So könne er die Korrespondenz bündeln und für das tägliche Schreiben und Recherchieren bleibe genug Ruhe: "Das ist für mich überlebenswichtig", sagt der Theologe und Psychotherapeut. Am 20. Juni wird er 75 Jahre alt, er kam 1940 als Sohn einer Bergmannsfamilie im westfälischen Bergkamen zur Welt.
Es gibt noch viele Bücher zu schreiben
Eine Art Ruhestand kennt der einstige Priester nicht, der sich mit der katholischen Kirche überwarf und vor zehn Jahren austrat. Es gibt noch viele Bücher, die er schreiben möchte. Als nächstes Thema hat er sich die Macht der Ökonomie vorgenommen. "Das kommt ein bisschen spät, aber es muss sein." Einmal in der Woche steht in der Regel ein Vortrag im Terminkalender.
"Das sehe ich als Verpflichtung, noch das zu tun, was ich kann."
Bei Radio Bremen geht er monatlich mit seiner eigenen Diskussionssendung "Redefreiheit" auf den Sender. Vielen Briefschreibern antwortet er persönlich und handschriftlich. Und schließlich empfängt er ab dem späten Nachmittag Patienten, die er als Psychotherapeut behandelt. Noch sei er gesund, sagt er. "Das sehe ich als Verpflichtung, noch das zu tun, was ich kann."
Verbindung zwischen Theologie und Psychotherapie
Drewermann studierte Theologie und Philosophie, beschäftigte sich später mit Psychoanalyse, wurde 1966 zum Priester geweiht. Die Themen seiner Bücher und Vorträge reichen über theologische Auslegungen und psychologische Deutungen biblischer Bilder und Märchen bis zu Tierschutz und Friedenspolitik.
Die katholische Reformbewegung "Wir sind Kirche" würdigt es als Verdienst Drewermanns, die Erkenntnisse von Theologie und Psychotherapie verbunden zu haben. Aber an ihm scheiden sich auch die Geister: Kritiker haben dem Bestsellerautor vorgeworfen, mit der Psychologisierung von Politik romantisch-konservative Denktraditionen zu pflegen. Der Schweizer Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik sieht in den Äußerungen Drewermanns eine Gefahr von Weltflucht und neuer Innerlichkeit.
Konflikte mit der katholischen Kirche
Bundesweit bekannt wurde Drewermann spätestens, als der Paderborner Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt 1991 dem Privatdozenten erst die katholische Lehrbefugnis und später die Predigtbefugnis entzog. Joseph Ratzinger, der spätere Papst, soll als zuständiger Kardinal im Vatikan für die Glaubenslehre auf Maßnahmen gegen Drewermann gedrungen haben.
Zuvor hatte der Theologe mit der sanften Stimme und dem Faible für Strickpullover in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel erklärt, dass die Geburt Jesu von einer Jungfrau Maria nicht als historisches oder biologisches Ereignis zu betrachten sei. Katholischen Bischöfen warf Drewermann vor, die Ergebnisse einer historisch-kritischen Erforschung der biblischen Texte zu ignorieren. Auch mit seinem Buch "Kleriker - Psychogramm eines Ideals" (1989) hatte er die Amtskirche erzürnt: Darin spricht der vielgelesene Theologe von einer krank machenden Wirkung der Kirche auf Priester.
"Das war alles ein Konvolut an Missverständnissen aufgrund von tradierten Fixierungen", urteilt Drewermann heute über seine Suspendierung. Seinem Bischof habe er damals gesagt: "Erschafft euch die Ketzer, die ihr braucht, aber das hat mit mir nichts zu tun."
Was gleich blieb und was sich geändert hat
Sein Leben habe sich durch den Rausschmiss in keiner Weise geändert, erklärt Drewermann mit Nachdruck: "Ich habe nie eine Zeile zu Papier gebracht mit der Frage, was denkt ein Erzbischof oder ein Kardinal in Paderborn oder Rom." Bei diesem Thema geraten seine Hände in Bewegung. Jeden seiner Sätze trägt er dabei so klar und strukturiert vor, als stamme er aus einem Manuskript.
Geändert habe sich jedoch sein Glaube, er könne der Kirche nutzen, indem er sich um eine Seelsorge bemühe, die sich biblisch und auch psychologisch verantworte. "Das war eine Illusion, deren Verlust mir wehgetan hat, keine Frage."
Nachdem Drewermann sich jahrzehntelang in Büchern und Vorträgen mit seiner Kirche auseinandergesetzt hat, erklärte er vor zehn Jahren, zu seinem 65. Geburtstag, den Austritt. "Ein Geschenk der Freiheit", sagte er damals.
Bewunderung für Papst Franziskus
Mit Interesse und sogar Sympathie verfolgt Drewermann heute, wie sich Papst Franziskus für Flüchtlinge und ausgegrenzte Menschen einsetzt. Das sei "beispielgebend". Ob er jedoch die mächtige katholische Kirche verändern kann, das sieht Drewermann skeptisch. Eine Reform könne man nicht von oben verordnen, sagt er, sie müsse von unten kommen. Dazu müsste sich der Papst praktisch selbst abschaffen.
"Ich könnte nicht leben ohne die Botschaft Jesu"
Seinen persönlichen Glauben hat Drewermann in der Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche nicht verloren, wie er sagt. Im Sinne der katholischen Kirche sei er zwar kein Glaubender. Aber: "Ich könnte nicht leben ohne die Botschaft Jesu", betont der ehemalige Priester. "Und ich wäre nicht mit der Kirche in Widerspruch geraten ohne die befreiende Lehre Jesu." Jesus habe kein Christentum gegründet, er habe keine Konfessionen eingesetzt: "Jesus wollte, dass Menschen lebendig sind."