Ein Flugzeugflügel aus dunklem Basalt ragt in den Himmel. In weißer Schrift eingraviert steht darauf: "Zum Gedenken an die Sinti und Roma, die im Konzentrationslager Flossenbürg, seinen Außenlagern und auf den Todesmärschen dem nationalsozialistischen Völkermord zum Opfer fielen." Das einstige "Tal des Todes" dort hat ein neues Mahnmal. Direkt davor liegt ein schwarzer Winkel. Seine Oberfläche ist abgeschliffen und rau - dieser dreieckige Stein symbolisiert das Lagerzeichen für Angehörige der Sinti und Roma. Allein in Flossenbürg waren etwa 1.000 inhaftiert. Die meisten von ihnen mussten als Zwangsarbeiter in den Rüstungs- und Flugzeugwerken schuften.

Mit dem Mahnmal, das der Bildhauer Alfred Kainz geschaffen hat, soll nun nicht länger vergessen werden, dass mehr als 500.000 Sinti und Roma von den Nazis ermordet wurden. "Das war ein Staatsverbrechen, das akribisch geplant wurde", erinnert Romani Rose in Flossenbürg beim Gedenkakt zur Lagerbefreiung vor 71 Jahren.

Bildhauer Alfred Kainz hat Mahnmal geschaffen

Dem Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma geht es beim Erinnern an die nationalsozialistischen Gräueltaten jedoch nicht darum, der heutigen Generation als Nachkommen der Täter irgendeine Form von Schuld aufzubürden. "Der Sinn des Erinnerns besteht vielmehr in der gelebten Verantwortung für die Gegenwart und für unser Gemeinwesen", wie er vor rund 500 Teilnehmern betont. Und so beklagt Rose einen wachsenden Rassismus und immer mehr populistisches Gedankengut unter Politikern in ganz Europa. Dass sich etwa 80 junge Menschen aus neun Ländern mit Zeitzeugen seit vielen Jahren in Flossenbürg austauschen "und offen reden über Ängste sowie Bedenken", hält Gedenkstättenleiter Jörg Skriebeleit für sehr wichtig. In einer Welt von Unruhe dürften die humanistischen Werte nicht verloren gehen.       

So erzählt der ehemalige KZ-Häftling Venanzio Gibillini aus Italien bewegend, wie er in das Lager kam und zuerst ausgezehrte Häftlinge sah, deren Gesichter ohne Ausdruck waren. "Sie waren abwesend, ihre Seelen waren fortgeflogen, auch wenn sie noch am Leben waren." Er habe lange geschwiegen, später habe erst keiner den Erzählungen vom makabren Geruch des Rauchs aus dem Krematorium wirklich glauben wollen, sagte Gibillini, der erst das KZ und später die Todesmärsche kurz vor Kriegsende überlebte.

"Wir Übriggebliebenen hatten zwar das Glück, ein neues Leben beginnen und eine neue Existenz aufbauen zu können. Aber wir sind nie wirklich aus dem Lager herausgekommen", beschreibt er sein Gefühl. Heute setze er sich mit aller Kraft dafür ein, dass sich die neuen Generationen gegen Unrecht wehren. Damit ein solches Unheil nicht mehr geschehen könne, führe kein Weg daran vorbei, "zu verurteilen und zu erinnern".

Den Weg ins "Tal des Todes" zieren bunte Steine. Jugendliche wollen damit auf einen "Weg der Toleranz" weisen, erklärt der 21-jährige Steven Haschberger aus Weiden, der zu den Betreuern der internationalen Jugendbegegnung gehört. "Wir haben viel über Diskriminierung und Toleranz in unseren Ländern diskutiert, sind dabei sogar in die Rolle von Sinti und Roma heute geschlüpft", ergänzt Julie Morestin (26), die künftig als Jugendreferentin in der Gedenkstätte arbeitet.

Digitales Totenbuch des KZ Flossenbürg

Als neue Form der Erinnerung gibt es nun zudem eine digitale Version des "Totenbuchs Konzentrationslager Flossenbürg". Als virtuelles Denkmal für die KZ-Opfer kann es als Internetseite aufgerufen werden. Es nennt die bisher mehr als 21.000 bekannten Namen von insgesamt etwa 30.000 Häftlingen, die im KZ Flossenbürg und seinen Außenlagern ums Leben kamen. "Die Liste wird ständig ergänzt", wie eine Sprecherin der Gedenkstätten sagt.

Der Direktor der Stiftung Bayerischer Gedenkstätten, Karl Freller, will noch eine Namenstafel für alle Häftlinge in Flossenbürg. "Die wird es geben", verspricht er eine weitere zeitgemäße Geste des Gedenkens und Erinnerns. Das Konzentrationslager hatte die US-Armee am 23. April 1945 befreit.