Eine 30-jährige Mutter kommt in die Notaufnahme einer Klinik. Der Kreislauf rast, ihr ist schlecht. Nach einem Urintest nehmen die Ärzte an, dass die Patientin im Frühstadium schwanger sein muss. Doch im Ultraschall zeigt die Gebärmutter keine Auffälligkeit. Weil die Frau keine Papiere hat und zudem die Behandlung nicht selbst bezahlen kann, findet keine spezielle Laboruntersuchung statt. Die Patientin wird nach Hause geschickt. Vier Wochen später wird sie notoperiert. Grund: eine geplatzte Eileiterschwangerschaft.

Grundsätzlich hat jeder Mensch ein Recht auf Zugang zu medizinischer Versorgung im Notfall - unabhängig von seinem Aufenthaltsstatus. In der Praxis sehe das für die geschätzten 500.000 Menschen ohne Papiere jedoch ganz anders aus, heißt es bei der Diakonie: "Sie haben de facto keinen Zugang zum Gesundheitssystem." Eine Tatsache, die das Deutsche Institut für Menschenrechte schon im Jahr 2008 rügte.

Mehr als zehn Jahre später ist nur wenig passiert, um die Situation zu ändern. Im August publizierte die "Bundesarbeitsgruppe Gesundheit/Illegalität" ein neues Forderungspapier. Denn: "Es ist für Menschen ohne Papiere weiterhin schwierig, ihren Rechtsanspruch auf Zugang zur Gesundheitsversorgung umzusetzen. (...) Die strukturell bedingte medizinische Unterversorgung hat weiterhin Bestand."

In Deutschland ist ihre Versorgung auf die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie die Versorgung bei Schwangerschaft beschränkt, wie die Diakonie erläutert. Doch selbst diese Minimalversorgung funktioniere oft nicht.

Denn die Menschen könnten sich nicht sicher sein, dass ihre Daten nicht doch an die Behörden weitergereicht würden, wenn sie im Notfall ein Krankenhaus aufsuchten, erläutert die Bundesarbeitsgruppe. Zudem greife die Kostenübernahme bei Notfällen durch das Sozialamt nur in einem Bruchteil der Fälle - eine finanzielle Belastung der Kliniken. Deshalb verwehrten die Krankenhäuser den Betroffenen oft eine sofortige Behandlung im medizinisch notwendigen Umfang.

Zwar gebe es inzwischen etliche lokale Projekte etwa zum "Anonymen Krankenschein", zu "Humanitären Sprechstunden" oder Clearingstellen beim Streit mit Krankenkassen, "doch eine flächendeckende Versorgung ist damit noch lange nicht erreicht", betont Marie von Manteuffel, Geschäftsführerin des Katholischen Forums Leben in der Illegalität. Zudem beschränkten sich die meisten dieser Initiativen nur auf eine Grundversorgung.

Für Menschen ohne Papiere müssten strukturelle Lösungen gefunden werden, die einen angstfreien Zugang zu einer menschenwürdigen Gesundheitsversorgung sicherstellten, sagte Peter Bobbert, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesärztekammer, dem Evangelischen Pressedienst (epd):

"Für Ärztinnen und Ärzte ist es bedeutungslos, woher ein Mensch kommt. Sie behandeln alle Menschen gleich, die in den Wartezimmern von Praxen und Kliniken sitzen."  

Die Bundesregierung sieht jedoch keinen Handlungsbedarf: "Die geltende Rechtslage erlaubt eine angemessene gesundheitliche Versorgung des angesprochenen Personenkreises", heißt es in der Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion vom Juli 2018. Die Versorgung sei in Not- oder Akutsituationen "über den zuständigen Träger der Sozialhilfe oder über das Asylbewerberleistungsgesetz sichergestellt". Für eine Aufnahme in die gesetzliche Krankenkasse bestehe kein Erfordernis.

"Es ist ein Armutszeugnis, dass diese Menschen keine bedarfsgerechte gesundheitliche Versorgung erhalten", kritisiert dagegen Harald Weinberg, der gesundheitspolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag. Bei der Bundesregierung sei seine Partei stets auf taube Ohren gestoßen: "Union und SPD wollen hier nicht handeln." Die Linkspartei fordere eine anonyme Gesundheitskarte für Menschen ohne Papiere. Diese müsse, abgesehen vom Passbild, anonymisierte Daten enthalten, denn andernfalls würden die Betroffenen eine Weitermeldung an die Ausländerbehörden befürchten.

Für die Grünen sagte deren Sprecherin für Migrations- und Integrationspolitik, Filiz Polat, dem epd: "Übergeordnetes Ziel muss die Aufnahme der Betroffenen in die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung sein." Die Grünen setzten sich deshalb für die Einführung des anonymisierten Krankenscheins ein.