Die Corona-Krise trifft zugewanderte Menschen besonders hart und droht daher alle erreichten Fortschritte bei der Integration zunichtezumachen. Das geht aus dem Internationalen Migrationsausblick 2020 der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor, der in Berlin veröffentlicht wurde.

Einwanderer-Familien sind demnach eher arm, leben häufiger auf engem Raum zusammen und arbeiten oftmals in Jobs, wo das Abstandhalten zum Schutz vor dem Coronavirus kaum möglich ist. Damit sind sie der Studie zufolge deutlich anfälliger für eine Covid-19-Infektion.

Der Integrationsgipfel

Das Thema stand auch im Fokus des zwölften Integrationsgipfels der Bundeskanzlerin, der wegen der Pandemie digital ausgerichtet wurde. Regierungschefin Angela Merkel (CDU) sagte, Einwanderern falle es angesichts der aktuellen Einschränkungen zum Schutz gegen das Coronavirus "gewiss nicht so leicht, in unserem Land Fuß zu fassen".

So gebe es Integrationsangebote sowie Zugang zu Bildung und Ausbildung nicht in gewohntem Umfang, und der Wirtschaftseinbruch wirke sich auf Branchen aus, in denen viele Menschen mit Zuwanderungsgeschichte tätig seien, "die nun um ihre Arbeitsplätze fürchten müssen".

Für Kinder, die die deutsche Sprache erwerben wollten, sei der Präsenzbetrieb von Kitas und Schulen sehr wichtig.

Förderung von jungen Einwanderern

Junge Menschen dürften nicht zu Verlierern der Pandemie werden, betonte Merkel: "Je früher die Einwanderinnen und Einwanderer die deutsche Sprache lernen, Zugang zu Bildung und Ausbildung finden und mit unseren grundlegenden Werten, Rechten und Pflichten vertraut werden, umso größer sind eben auch die Chancen für gelungene Integration."

 

Integrationsstaatsministerin Annette Widmann-Mauz (CDU) kündigte eine "Digital-Offensive" an, damit Integrationskurse und Sprachförderung in gewohntem Umfang fortgesetzt werden können.

Die Coronapandemie im Zusammenhang

Der OECD-Studie zufolge war in vielen der untersuchten Staaten das Infektionsrisiko von Menschen mit Einwanderungsgeschichte mindestens doppelt so hoch wie bei der alteingesessenen Bevölkerung.

Auch die Sterblichkeit von Menschen, die im Ausland geboren wurden, sei in Ländern wie Frankreich und Schweden - die diese Daten erhoben hätten - deutlich höher. Die Wirtschaftskrise trifft Menschen mit Migrationsgeschichte den Angaben zufolge ebenfalls härter, weil sie in der Regel in unsicheren Arbeitsverhältnissen beschäftigt und gerade in den Branchen überrepräsentiert sind, die wegen der Pandemie die stärksten Einbrüche erleiden - zum Beispiel im Gastgewerbe.

Gleichzeitig stünden Zugewanderte im OECD-Raum häufig an vorderster Front im Kampf gegen das Coronavirus. So stellten sie einen großen Teil des medizinischen Fachpersonals: Im Durchschnitt stamme ein Viertel der Ärzteschaft aus dem Ausland, in Deutschland etwa ein Fünftel. Bei den Krankenpflegekräften sei es ein Sechstel.

Diskriminierung von Einwandererkindern

Kindern aus zugewanderten Familien schadeten wiederum die Schulschließungen, weil viele von ihnen zu Hause eine andere Sprache benutzten, nicht über einen Internetzugang verfügten und auch keinen Raum hätten, in den sie sich zum Lernen zurückziehen könnten.

Darüber hinaus nimmt den Angaben nach die Diskriminierung in Phasen zu, in denen die Wirtschaft schwächer wird. So seien bei der Suche nach einem neuen Job persönliche Netzwerke wichtig, die gerade jenen fehlten, die noch nicht so lange in einem Land lebten.

Auch Vorurteilen, wonach vor allem Migranten für die Verbreitung von Covid-19 verantwortlich gemacht werden, müsse begegnet werden. OECD-Experten schlagen vor, die Leistungen dieser Menschen hervorzuheben.

Als Beispiel wird Frankreich genannt, wo jene, die während der Pandemie im Gesundheitssystem, im Einzelhandel oder in anderen wichtigen Bereichen arbeiten, nun schnelleren Zugang zur französischen Staatsbürgerschaft bekämen.