In der Kunstschmiede von Philipp Trenkle im Ostallgäuer Pfronten entstehen Grabkreuze und Gartenelemente, bei denen man "den Menschen spürt, der sie gemacht hat" – in bester traditioneller Handarbeit. Von seinem Vater bekam der Schlossermeister und Vorsitzende des Heimatvereins aber nicht nur die Leidenschaft mit, Stahl und Eisen zum Glühen zu bringen. Der Sänger mit dem Musikgehör hat seinem Sohn auch ein Wissen zuteilwerden lassen, das heute nur noch wenige hüten.

Herr Trenkle, Ihr Familienbetrieb wurde 1839 als Schlosser- und Schellenschmiede gebaut. Was zeichnet eine Schelle in Ihrem Handwerk aus?

Für eine Schelle wird bei uns hochwertiger Stahl warm verformt und mit Schlägen in eine ovale Form geschmiedet. So erhält jedes Stück seinen eigenen Klang. Der Klöppel hingegen entsteht bei uns heute unterm Lufthammer. Dadurch ist das Schmieden körperlich nicht mehr ganz so anstrengend wie damals, als man alles von Hand gemacht hat. Ein bisschen Fortschritt ist also spürbar.

Wo kommt die Schelle heute noch im Alltag zum Einsatz?

Der Hirte bringt sie am Jungvieh an, damit es in den Hochalpen nicht verloren geht, und gibt einem älteren Leittier eine Orientierungsschelle mit unverwechselbarem Klang. Natürlich könnte man den Tieren auch einen Chip einpflanzen, um sie zu orten, aber das wäre ein riesiger elektronischer
Aufwand. Mithilfe der Schellen hört der Hirte, wohin die Herde zieht – etwa um einem Unwetter auszuweichen. Und bei Nebel findet er verirrte Tiere einfacher wieder.

Der Senner kann also am Klang erkennen, ob ein Tier zu ihm gehört?

Das ist das Ziel. Jeder Schmied hat seine eigene Sprache. Mein Vater hat entdeckt, dass eine Schelle aus dem Stahlblech eines Sägeblatts einen einzigartigen Ton ergibt. Und auch ich versuche, jede Schelle ein bisschen anders zu machen, damit sich die Klänge unterscheiden, aber dennoch zur Melodie der Herde passen. Da bin ich ein hoffnungsloser Romantiker. Leider gibt es in der Almwirtschaft nur noch wenige Ästheten, die eine ordentliche Schelle mit einem schönen Riemen wollen und nicht auf massenproduzierte Klappertöpfe am Synthetikband zurückgreifen.

Beim alpenländischen Perchtenlauf oder bei Faschingsumzügen in der Region haben Schellen noch eine andere Bedeutung.

Ja, die kennt man auch auf der Alm. Beim Auftrieb bekommt das Vieh statt der normalen Alpschelle eine rau und derb klingende Zugschelle umgehängt, um die Geister in Schach zu halten. Beim Viehscheid zurück ins Tal soll sie dann vermeiden, dass die Geister mit den Tieren aus den Bergen hinabsteigen. In manchen Gebirgsorten hört man dieses Spiel noch zur Vertreibung des Winters. Da ist die Schelle weiterhin Kultgerät. Diese jahrhundertealten Bräuche und Traditionen versuchen wir Schmiede mit am Leben zu erhalten und von Generation zu Generation weiterzugeben.

WAS DIE SCHELLE VON DER GLOCKE UNTERSCHEIDET

Im Volksmund werden die Begriffe Schelle und Glocke gleichbedeutend verwendet. Doch tatsächlich gibt es einen Unterschied: Am Jungvieh sowie an Klettertieren wie Ziege und Schaf
hängt in der Regel eine oval geschmiedete Schelle.

Eine Glocke hingegen wird immer in eine runde Form gegossen, hängt etwa an der milchgebenden Kuh oder wegen ihres hellen Klangs an Kleintieren oder Greif vögeln wie Falken und Adler – und natürlich in der Kirche.

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