1910 war sie von Eitel Friedrich Prinz von Preußen, dem zweiten Sohn von Kaiser Wilhelm II., eingeweiht worden. Und bis in die späten neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts läutete die deutsche "Herrenmeisterglocke" regelmäßig zu den Gottesdiensten der Jerusalemer Himmelfahrtkirche. Doch dann wurde sie zur Gefahr.
Die Glocke war ins Alter gekommen und im Scharnier falsch aufgehängt, erzählt Pfarrerin Gabriele Zander: "Sie wiegt sechs Tonnen. Hätte man sie geläutet und hätte sie sich gelockert, dann hätten wir den ganzen Turm damit gefährdet". Zander lebt seit vier Jahren auf dem ruhigen, parkähnlichen Gelände der Auguste Viktoria-Stiftung mit herrlichem Blick über die Heilige Stadt und hinein in die judäische Wüste bis hin zum Toten Meer.
In der Umgebung der Kirche befinden sich neben einem Krankenhaus für Palästinenser auch das Deutsche Evangelische Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes sowie das Evangelische Pilger- und Begegnungszentrum. Im dazugehörigen deutschen Café verbringt Pfarrerin Zander gerne ihre Mittagspause. Sie ist zuständig für die deutsche evangelische Gemeinde vor Ort sowie für Pilger und Touristen. Regelmäßig empfängt sie Reisegruppen und führt sie durch die Himmelfahrtkirche. Heute freut sich besonders, dass seit kurzem wieder alle vier Glocken auf dem Turm läuten: Die Glocke "Deutscher Kaiser", die Glocke "Kaiserin", die "Friedensglocke" und die sechs Tonnen schwere "Herrenmeisterglocke".
Wie die Glocken aus dem thüringischen Apolda nach Jerusalem kamen
Doch bis zu diesem Moment war es ein langer Weg. Das gewichtige Geschenk des Kaisers war schon beim Transport von Deutschland nach Jerusalem 1907 eine logistische Herausforderung. Sie mit dem Schiff nach Palästina zu schicken, war nicht das Problem, doch als die Glocken im Hafen von Jaffa an Land gehievt wurden, war guter Rat teuer. Denn dort gab es noch keine Straßen wie heute.
"Man erzählt sich, dass dabei etliche Wägen in die Brüche gegangen sind und dass dann auch tatsächlich einige Straßenabschnitte gepflastert werden mussten, damit die Glocken nach Jerusalem gebracht werden konnten", sagt Pfarrerin Zander. Um Jaffa herum musste sogar eine Umgehungsstraße gebaut werden, da die Wagen nicht durch die engen Gassen der Altstadt kamen.
Mit deutscher Beharrlichkeit und viel Kraft haben die Glocken schließlich ihr Ziel erreicht und bis Ende der 1990er Jahre ihre Aufgabe erfüllt. Mit der Zeit wiesen sie aber immer mehr Defekte auf, nicht nur die "Herrenmeisterglocke", auch das Glockengeläut insgesamt musste von einem Fachmann überprüft und erneuert werden:
"Es war uns klar, dass wir in Deutschland nach einem Glockenfachmann suchen müssen, denn eine Glockengießerei gibt es im Nahen Osten nicht."
Und so fragte die evangelische Gemeinde von Jerusalem die alteingesessene Glockengießerei Perner in Passau um Rat.
Firmenchef Rudolf Perner machte sich sogleich persönlich auf den Weg in die Heilige Stadt. Für ihn war das "eine ganz besondere und schöne Aufgabe", aber nicht gerade einfach. Nach einer ersten Bestandsaufnahme flog er zurück nach Passau, um die Ersatzteile und Werkzeuge per Schiff auf den Weg nach Israel zu bringen.
Dann reiste er wieder nach Jerusalem, um zusammen mit einer israelischen Firma und dem dortigen Mesner und Facility Manager, dem palästinensischen Christen George Mubarak, mit der Restaurierung zu beginnen.
"Doch leider kamen die Sachen nicht aus dem Zoll, weil der Zoll in Israel Ware genau prüft und da musste Herr Perner unverrichteter Dinge frühzeitig wieder nach Deutschland zurück", berichtet die Pfarrerin.
Die Reise nach Jerusalem des Passauer Glockenexperten
Bei der dritten Reise nach Jerusalem klappte letztendlich dann doch alles: "Wir haben die Läutetechnik und die Klöppel erneuert und überholt, so dass das Geläut jetzt wieder läuten kann - und das Gesamtkunstwerk, das heißt Glocke mit Glockenstuhl und Läutetechnik aus jener Zeit, erhalten werden kann."
Und so läuten sie jetzt wieder. Die "Herrenmeisterglocke" freitags um 15 Uhr zur Todesstunde Jesu. Und alle zusammen an den Feiertagen. Dann fügen sich die Glocken der Himmelfahrtkirche mit den anderen Glocken der christlichen Kirchen in der Altstadt ein in den besonderen Klangteppich der Heiligen Stadt, in der Muezzin und Glocken gleichzeitig erklingen.