Von Tausenden geschmierten Butterbroten und Wäschebergen, über auf blutige Kinderknie geklebte Pflaster und abgewischte Trotztränen hat Stefanie Schardien in ihrem ersten "Wort zum Sonntag" gesprochen – am letzten Samstag, vor dem Muttertag. Ein schwieriger Tag, findet die promovierte Pfarrerin und Mutter von zwei Buben im Alter von vier und sieben Jahren. Bei ihr löse er "gemischte Gefühle" aus: "Wer irgendwas zum Muttertag sagt, landet ruckzuck in Schubladen: Mutti oder Emanze."

Aber in Schubladen lässt sich Stefanie Schardien nicht gerne stecken.

Ende Juli wird sie 43, doch Wikipedia weiß das nicht. Deswegen bekommt, wer nach "Stefanie Schardien" googelt, dieses (derzeit noch) falsche Alter schon jetzt angezeigt. Seit 2011, lange also vor ihrem Start beim "Wort zum Sonntag", gibt es einen Artikel über sie in der größten Enzyklopädie der Welt. Wer ihn angelegt hat, weiß die Fürther Gemeindepfarrerin auf einer Halbtagsstelle nicht.

Karriere rückwärts?

Eine Freundin von ihr hat mal gewitzelt, Stefanie Schardien habe "Karriere rückwärts" gemacht. Ihren Wikipediaeintrag verdankt die gebürtige Dortmunderin nämlich dem Umstand, dass sie damals noch ­Juniorprofessorin für Systematische Theologie an der Uni Hildesheim war und zu ethischen Themen forschte. Ihren Mann hat sie während des Studiums kennengelernt. Auch Peter Dabrock startete gerade mit einer akademischen Karriere durch. Heute ist der Erlanger Theologieprofessor als Vorsitzender des Deutschen Ethikrats weit über Uni-Zirkel hinaus bekannt.

Als dann das erste Kind kam, war die Pendelei irgendwann nicht mehr zu machen. Schardien gab ihre akademische Laufbahn zugunsten des Pfarrdiensts in Bayern auf – zunächst als Kindergottesdienst-Referentin im Nürnberger Amt für Gemeindedienst und seit 2016 auf der Halbtagsstelle in der Fürther Gemeinde St. Michael.

Muttertag

Klassisches Mütterschicksal? Ja und nein. Das mit der "Karriere rückwärts" mag Stefanie Schardien jedenfalls nicht gelten lassen: "Von der Außenperspektive und vom Gehaltszettel mag das so aussehen", lacht sie, "aber von der Sinnhaftigkeit her gesehen, ist es für mich eine steile Karriere gewesen!"

Stefanie Schardien ist Gemeindepfarrerin mit Leib und Seele. Sie liebt ihre Gemeinde, und sie liebt ihre Stadt: "Fürth ist unfassbar gemütlich, aber im Denken großstädtisch." Es ist die "Kirche vor Ort", es sind die Gemeinden und ein wirklich "begeistertes Bodenpersonal", wo Schardien die Zukunft der Kirche sieht – kirchliche Strategiepapiere, Zukunftsprozesse und Verwaltungsoptimierungen hin oder her.

Schardien ist schnell, klug, locker; eine, bei der man spürt: Die mag die Menschen, und die Menschen mögen sie. "Ich glaube", sagt sie, "ich bin nicht nur die Frau vom Dabrock." Mit dem Professorentitel haben sich für sie eine Menge Türen geöffnet. Einiges davon ist geblieben. So ist die kirchentagsbegeisterte Pfarrerin Mitglied im prominent besetzten Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentags.

Das "Wort zum Sonntag" als Chance

Nach der Tagesschau ist das "Wort zum Sonntag" die zweitälteste Sendung im deutschen Fernsehen. "Die Sendung, die jeder kennt, und keiner guckt", habe es früher geheißen, sagt Schardien lachend. Jetzt kann man das "Wort zum Sonntag" in der Mediathek auch an allen anderen Tagen schauen.

Sogar Schardien war nicht zu allen Zeiten regelmäßige Zuschauerin des TV-"Wellenbrechers" im Unterhaltungsstrom. Nun ist sie eine von je vier Sprecherinnen und Sprechern der katholischen und der evangelischen Kirche. Sechs bis sieben Mal im Jahr ist jeder dran. Eine DIN-A4-Seite, knappe vier Minuten, hat Schardien für ein "Wort zum Sonntag" Zeit. Ein Format, das die "große Chance bietet, mit Menschen in Kontakt zu kommen, die sonst keinen Kontakt zur Kirche haben", ist sie überzeugt. Dass sie Erfahrungen mit Radioandachten auf 1LIVE und Bayern 1 mitbringt, hilft dabei.

Unpolitisch könne christliche öffentliche Rede gar nicht sein, findet sie: Jesus sei nicht nur im Beten und Reden fromm gewesen, sondern habe auch "Zachäus vom Baum geholt". Schardien: "Ich kann als Pfarrerin ja nicht nicht über den Schutz der Menschenwürde und des Lebens nachdenken!"

Auch das Private ist dabei politisch: "Mein Leben – dass es ist, und so wie es ist – ", hat sie bei ihrem ersten "Wort zum Sonntag" gesagt, "das verdanke ich zum riesigen Teil anderen. Auch Gott, glaube ich als Christin. Und bei den Menschen fällt mir und vielen besonders die Mutter ein." Aber eigentlich, hat sie dann noch gesagt, gehe es darum, "denen einmal wieder zu danken, denen ich mich verdanke" – nicht nur den Müttern und nicht nur am Muttertag.

 

Mit dem "Wort zum Sonntag" ist Stefanie Schardien wieder am 29. Juni, 20. Juli und 3. August im Ersten zu sehen.