Die Ungewissheit muss die Gefangenen des KZ Dachau geplagt haben, als sie am 24. April 1945 aufgefordert wurden, ihre Sachen zu packen und in einen Bus zu steigen. "Liebste Frau", schreibt der evangelische Pfarrer Martin Niemöller auf eine Postkarte, "die Verschleppung nach dem Süden beginnt. Unser Ziel wissen wir nicht. Bleib tapfer für unsere Kinder, und der treue Gott behüte Euch!"

Insgesamt 139 prominente "Sippen- und Sonderhäftlinge" aus 17 verschiedenen Ländern - darunter Minister und Politiker, Journalisten und Geistliche - wurden in einer Nacht- und Nebelaktion von einem Sonderkommando der SS mit Bussen und Lastwagen über Innsbruck nach Niederdorf ins Hochpustertal transportiert. Eine Ausstellung im Rathaus Niederdorf und das "Zeitgeschichtliche Pragser Archiv" dokumentieren die Geschichte der Verschleppung bis zur Befreiung.

Transporte- oft ein Todesurteil

Bis zuletzt hatten die Sonderhäftlinge gehofft, dass ihnen der Abtransport aus Dachau erspart bleibe. "Auf Transport gehen, das bedeutete erfahrungsgemäß ein fast gewisses Todesurteil", erinnerte sich der Wiener Bürgermeister Richard Schmitz später an diesen Tag.

Nach einer Zwischenstation in Reichenau, bei der noch weitere Sonderhäftlinge hinzukommen, geht der Transport weiter. SS-Obersturmführer Edgar Stiller kennt das Ziel, doch verrät er es den Gefangenen nicht. Das Gefühl der Ungewissheit wird noch verstärkt, als der Konvoi stundenlang am Brennerpass stehen bleibt. Nur der Chef des Reichssicherheitshauptamtes, Ernst Kaltenbrunner, hat einen präzisen Plan: Er will die Häftlinge als Geiseln nutzen bei Verhandlungen mit den Alliierten - oder sie umbringen.

Statt Hotel, Notquartiere

In den frühen Morgenstunden des 28. April 1945 erreicht der Transport Niederdorf. Es regnet in Strömen, und nachdem Stiller erfährt, dass das Hotel "Pragser Wildsee" nicht zur Verfügung steht, ist die Konfusion groß. Es dauert einen weiteren Tag, bis die Gefangenen zu Fuß in den Ort wandern und Notquartiere beziehen dürfen, in Gaststuben oder auf aufgeschüttetem Stroh im Rathaus. Im Dorf hat sich die Ankunft der Häftlinge schnell herumgesprochen, die Einwohner helfen mit Speisen und Getränken. Am Sonntag feiern die Gefangenen, darunter Franzosen und Ungarn, gemeinsam einen Gottesdienst in der barocken Pfarrkirche.

Hauptmann Wichard von Alvensleben, der bereits seit längerem in den Dolomiten stationiert ist und die Stabskompanie des "Oberbefehlshabers Südwest" führt, erfährt vom Geiseltransport. Mutig schickt er einen Stoßtrupp los, der die SS-Leute überwachen und eigenmächtige Handlungen verhindern soll. Er habe dann weiter Verstärkung durch eine ganze Kompanie bekommen und das Bewachungs-Kommando gezwungen, "auf Lastwagen zu steigen und abzufahren", erinnert sich Pfarrer Niemöller später. Damit habe Alvensleben "dem gesamten Gefangenentransport das Leben gerettet".

Heimreise über Capri

Am 30. April werden die Befreiten ins Hotel "Pragser Wildsee" auf 1.500 Meter Höhe gebracht, wo sie von Hotelbesitzerin Emma Heiss-Hellenstainer empfangen und rund drei Wochen versorgt werden. In der kleinen Kapelle am See feiern die Befreiten gemeinsam Gottesdienst. Die Zimmer sind eisig kalt, dennoch scheint den Gästen das Hotel "wie das Paradies auf Erden", wie eine Befreite notiert.

Am 4. Mai 1945 trifft die US-Armee im Hotel ein. Die deutschen Soldaten werden entwaffnet und abgeführt, dann geht es erneut im Konvoi über Verona nach Neapel und auf die Insel Capri. Erst nach weiteren Verhören bekommen die Befreiten schließlich eine Erlaubnis zur Heimkehr.