Die Klinikclowns des Würzburger Vereins "Lachtränen" arbeiten dabei auch und gerade mit demenziell veränderten Senioren. Tatjana Kapp alias Clownin Schlawine (53) berichtet anlässlich des Welt-Alzheimertags am Montag, den 21. September, welchen Effekt Pflegeclowns bei Demenz haben.
Frau Kapp, Clowns Ihres Vereins "Lachtränen" gehen normalerweise alle zwei Wochen ins Haus der Betreuung und Pflege im mittelfränkischen Uffenheim. Tun Sie das auch in der Corona-Zeit?
Tatjana Kapp: Leider nein. Die Heime lassen nach wie vor sehr große Vorsicht walten. Immerhin konnten Clowns aus unserem Verein zweimal im Vorhof des Uffenheimer Pflegeheims spielen.
Sie besuchen in der Region Würzburg mehrere Kliniken, aber nur dieses eine Heim regelmäßig. Vermutlich wäre der Bedarf weitaus größer. Warum sind Sie nicht in anderen Heimen zugange?
Kapp: Wir haben leider nicht die Kapazitäten dazu. Im Moment besteht unser Verein "Lachtränen" aus sechs Klinikclowns. Nachwuchs zu gewinnen, ist recht schwierig, zumal wir hohe Qualitätsansprüche haben.
Bringen denn alle Klinikclowns das Talent mit, sowohl mit kranken Kindern als auch mit demenziell veränderten Personen zu arbeiten?
Kapp: Es gibt Clowns, die beides sehr gut können, aber das ist nicht immer der Fall. Es kann zum Beispiel sein, dass jemand ein Elternteil hat, das an Demenz erkrankt ist, und deshalb nicht unbefangen mit dieser Krankheit umgehen kann.
Was würden Sie sagen, was ist anders bei der Arbeit mit demenziell veränderten Senioren im Vergleich zu jener mit Kindern?
Kapp: Normalerweise, also nicht unter Corona-Bedingungen, kommt man den Senioren körperlich viel näher. Menschen mit Demenz brauchen das Haptische. Deshalb gehört es bei uns zum Ritual, zu Beginn jeden Bewohner mit Handschlag zu begrüßen, auch verabschieden wir uns, indem wir jedem die Hand geben. Das ist für die Senioren ganz wichtig.
Man muss sich vor Augen halten, dass sie ja nur noch sehr wenig berührt werden. Anders ist auch, dass im Seniorenheim viel gesungen wird. Von daher ist es gut, wenn man alte Volkslieder kennt.
Das tun Sie offenbar.
Kapp: Ja, ich bin damit aufgewachsen. Bei uns in der Familie wurde viel gesungen und musiziert.
Welchen Effekt spüren Sie durch Ihre Arbeit im Pflegeheim?
Kapp: Menschen mit Demenz leben ja ganz im Hier und Jetzt. Und in diesem Hier und Jetzt erfahren sie durch die Figur des Clowns viel Freude und wirklich sehr, sehr glückliche Augenblicke. Was hatten wir schon für schöne Momente gehabt!
Fällt Ihnen eine konkrete Situation ein?
Kapp: Oh Gott, da gibt es so viele! Also, an eine Geschichte erinnere ich mich besonders gut, und zwar traf ich einmal einen Senior, der sehr dement war. Das war ein feinerer Herr, der immer die Zeitung las. Ich bin zu ihm hin, habe ihn begrüßt, und da sah ich, dass in der Zeitung eine besondere Tür abgebildet war. Der Mann sah mich an und meinte, dass Martin Luther hier seine Thesen angeschlagen hat.
Das stimmte natürlich nicht. Aber ich habe das aufgegriffen. Wir haben danach ein Fachgespräch über Luther und seine Thesen angefangen. Das war ziemlich kurios. Aber die Augen des Mannes blitzten. Und es war klar, dass er gerade einen Glücksmoment erlebte.
Menschen mit Demenz leben in einer mitunter richtig "verrückten" Welt. Wie ist das für Sie als Klinikclown? Können Sie sich darauf gut einlassen?
Kapp: Ja, das fällt mir sehr leicht, ich liebe das! Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Situation, die ich mit einer Clownskollegin erlebt habe. Am Tisch des Speisesaals saßen fünf oder sechs Senioren, alle mit unterschiedlich weit fortgeschrittener Demenz. Wir beide fingen an, mit den Senioren Mau-Mau zu spielen. Also, wenn Sie in diesem Moment hereingekommen wären, hätte Sie gesagt: "Das ist ja total verrückt!"
Jeder hat mit den Karten was anderes gemacht. Eine Frau wollte zum Beispiel immer die Dame haben, die fand sie so schön, die mochte sie gar nicht mehr hergeben. Ein Herr wollte immer nur die Karten ziehen. Das alles hatte natürlich nichts mehr mit den Regeln von Mau-Mau zu tun. Doch wir hatten trotzdem zusammen ein Spiel hinbekommen!
Es gehört ja zur Clownsetikette, jeden Menschen zu duzen. Sind Sie damit schon mal angeeckt? Oder ist es eher so, dass dies den Zugang erleichtert?
Kapp: Nein, ich bin in meiner Rolle als Clown damit noch nie angeeckt. Aber als Tatjana Kapp würde ich das auf keinen Fall tun! Nur die Rolle gibt mir diesen Freiraum. Wenn ich ins Seniorenheim komme und ich treffe auf jemanden, den ich nicht kenne, sage ich: "Ich bin die Schlawine, und wer bist du?" Wenn die Seniorin dann sagt: "Frau Müller", sage ich: "Du, Frau Müller?"
Oder wenn sie den Vornamen sagt, etwa Marie, frage ich: "Du, darf ich Marie zu dir sagen?" Ja, dieses "Du" erleichtert für mich als Clown den Zugang zu den Senioren.
Inwieweit kennen Sie den biografischen Hintergrund der an Demenz erkrankten Personen, mit denen Sie arbeiten?
Kapp: Am Anfang haben wir gut recherchiert, welche Biografie die Bewohner haben. Das ist zwar nicht zwingend erforderlich, aber ich persönlich finde das wichtig. Einmal zum Beispiel traf ich eine Seniorin, die am Tisch saß und Zupfbewegungen machte. Sprechen konnte sie nicht mehr, aber sie verstand noch. Mir war bekannt, dass sie früher in einem Gärtnerbetrieb gearbeitet hatte.
Die Handbewegung wirkte, als würde sie Tomaten ausgeizen. Ich habe mich zu ihr gesetzt, habe auch solche Gesten gemacht, und diese Gesten benannt. Zum Beispiel: "Mensch, schau mal, da steckt ja noch eine Karotte!" An ihren Augen habe ich gemerkt, dass sie das verstanden hat.
Über welche Themen kommen Sie am besten mit demenziell veränderten Heimbewohnern in Kontakt?
Kapp: Worüber man ganz schnell Zugang bekommt, sind typische Mann-Frau-Themen. Wir sprechen zum Beispiel manchmal über das Verliebtsein. Oder über die erste Liebe. Dazu passen dann Lieder wie "Horch, was kommt von draußen rein".
Sie sind ausgebildete Krankenschwester. Sind Sie noch in diesem Beruf aktiv?
Kapp: Ja, ich war allerdings zwischendurch vier Jahre lang nur Klinikclown. Doch das war emotional wahnsinnig anstrengend. Seit Januar arbeite ich im Würzburger Hospizverein als hauptamtliche Koordinatorin, davor war ich in der Kinder- und Jugendpsychiatrie tätig.
Was wünschen Sie sich zum Welt-Alzheimertag?
Kapp: Als Referentin der Stiftung "Humor hilft heilen" würde ich mir sehr wünschen, dass Pflegekräfte in Fortbildungen nicht nur lernen, wie sie einen Dekubitus (Anm. d. Red.: "Wundliegen") verhüten. Sondern, dass es, vor allem in Bezug auf Menschen mit Demenz mehr um das Zwischenmenschliche geht - und vor allem auch um Humor. Ich weiß selbst, dass Pflege ein Knochenjob ist. Doch Humor kann gerade bei Stresssituationen ein sehr gutes Ventil sein.