Peter Schlauderer führt ein normales Leben. Der fünffache Vater und vierfache Großvater ist gesund, sportlich und strahlt eine ansteckende Zufriedenheit aus. Erst bei näherem Hinsehen erkennt man, dass dieses Leben keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Geschenk ist. Denn Peter Schlauderer aus dem Örtchen Ihrlerstein (Kreis Kelheim) hat sich seine Normalität hart erkämpfen müssen. Er lebt mit drei Spenderorganen: Niere, Bauchspeicheldrüse und Leber. Und durchlebte eine Talsohle seines Lebens: "Ich konnte nicht mehr sprechen, nichts fühlen. Mein Kopf war leer. Ich habe meinen Verstand verloren."

Bereits in der Kindheit wurde bei ihm Diabetes Typ 1 festgestellt. Jahre später verschlechterten sich seine Werte so gravierend, dass er sowohl eine neue Niere als auch eine neue Bauchspeicheldrüse benötigte.

Wie man mit einer Organspende lebt

Kurz vor der Geburt seines fünften Kindes kam der erlösende Anruf der Ärzte. "Den Tag kann ich mir sofort herbeirufen. Der 28. Oktober 1999. Wir waren gerade im Garten mit den Kindern, meine Frau hochschwanger. Das war unglaublich." Doch er wollte auch die Geburt seines Kindes nicht versäumen: "Ich habe dann zum Arzt gesagt, dass ich eigentlich bei der Entbindung meines fünften Kindes dabeisein möchte. Er meinte, dass ich es mir nochmal ganz gut überlegen und ihn in 15 Minuten zurückrufen solle."

Es war ein hin und her, ein Abwägen des Risikos und der Chancen. Schließlich stand für ihn fest: "Natürlich bin ich in die Klinik gefahren. Das war die beste Entscheidung, denn ich habe genetisch sehr passende Organe bekommen. Die Ärzte sprechen da von Full House Organen".

Mit Anfang 30 benötigte er aufgrund eines angeborenen Leberschadens zusätzlich eine neue Leber. Nach der zweiten Transplantation kam es jedoch zu Komplikationen. Bis die Medikamente seinen Bedürfnissen entsprechend eingestellt waren, durchlebte Peter Schlauderer Wahnvorstellungen, Motorik-Störungen und Depressionen. Es dauerte zwei Jahre, bis er wieder ein halbwegs normales Leben führen konnte. Diese Erfahrungen prägten ihn.

Heute hilft Peter Schlauderer Menschen, die, wie er damals, auf der Organwarteliste stehen. Er besucht Patienten in Kliniken, klärt über Organspende auf und unterstützt auch internationale Organisationen. Es ist zu seiner Herzensangelegenheit geworden, die Menschen aufzuklären, welche Bedeutung der Organspende zugesprochen werden sollte. Mit den Vereinen "Lebertransplantierte Deutschland" und "Gegen den Tod auf der Organ-Warteliste" regt er politische und gesellschaftliche Diskussionen an. Denn es sei besorgniserregend, "in welcher miserablen Position Deutschland steckt, wenn es um die Bereitschaft geht, nach dem Tod Organe zu spenden", sagt Schlauderer.

Widerspruchslösung bei Organspende

In anderen Ländern läuft es ihm zufolge mit der Widerspruchslösung viel besser. "Politisch sind wir bisher nicht so weit gekommen, die Widerspruchslösung durchzusetzen. Es müssten gesetzliche Regelungen passieren, um die Situation zu verbessern", meint er. In der aktuellen Legislaturperiode werde das Thema wohl nicht mehr behandelt werden. Derzeit seien viele andere große Themen, wie Krieg oder Pflegepersonalmangel, präsenter. "Und auch in der Bevölkerung befasst man sich nicht gerne mit dem Thema, denn man muss über den eigenen Tod nachdenken."

Mehr als 8.500 Menschen warten in Deutschland auf eine Organspende. 2022 haben weniger als 900 Menschen ein Organ gespendet. Wer eine neue Niere braucht, wartet im Schnitt acht Jahre. Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung haben etwa 40 Prozent einen Spenderausweis oder einen Eintrag in der Patientenverfügung.

Schlauderer weiß bis heute nicht, wer ihm die Organe gespendet hat. "Ich kann meine Dankbarkeit auf unterschiedliche Art zeigen, auch wenn ich keine Informationen zu den Spendern habe", sagt er.

Die Menschen in seinem Leben und sein Glaube gaben Peter Schlauderer die nötige Kraft, zu kämpfen. Zwei Jahre dauerte es, bis er wieder auf die Beine kam. Seit über 20 Jahren helfen ihm die "neuen" Organe und Medikamente, seinen Alltag als nun gesunder Mensch zu bewältigen. Durch diese Ereignisse sei in ihm eine tiefe Dankbarkeit herangewachsen, die in vielen seiner Worte und Taten zu spüren ist.

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