Von der kleinen Hexe bis zum starken Wanja: Die Figuren Otfried Preußlers können nach Einschätzung des Kinder- und Jugendpsychiaters Markus Löble eine heilsame Wirkung entfalten. Die Helden des Erfolgsautors seien "Vorbilder und Leitfiguren, an denen man sich orientieren kann", sagte der Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie im Klinikum Christophsbad Göppingen dem Sonntagsblatt.

"Und das wichtigste therapeutische Mittel ist nun mal das Vorbild." Zudem habe Preußler seine Bücher mit einer Haltung von Versöhnung und innerer Größe geschrieben, die ebenfalls heilend wirke. Der Autor wurde vor 100 Jahren, am 20. Oktober 1923, geboren; er starb 2013.

Sein Team lade die jungen Patienten der Kinder- und Jugendpsychiatrie ein, sich an literarischen Vorbildern zu orientieren, erklärte Löble: "Die Wahl ist dabei frei, jeden spricht etwas anderes an." Der starke Wanja bestehe nach Jahren der Verweigerung seine Prüfungen, die kleine Hexe behaupte sich in der Erwachsenenwelt, Astrid Lindgrens wilde Pippi Langstrumpf stemme ein Pferd in die Luft. "Kinder sehen: Es gibt noch andere wie mich - und sie haben es geschafft."

Diese Hoffnung sei bei vielen seelischen und psychischen Erkrankungen die halbe Miete: "Alle brauchen Vorbilder, Trost, Hoffnung - egal ob sie angeblich verrückt oder normal, krank oder gesund sind."

Das Besondere am Schriftsteller Otfried Preußler sei, dass er nicht versucht habe, Kinder mit seinen Büchern zu manipulieren. Er habe Kinder nicht zu einem bestimmten Verhalten erziehen wollen. Löble: "Kinder haben ihre eigenen Entwicklungsaufgaben zu bewältigen; sie können sich nicht auch noch ständig mit den Problemen der Erwachsenen herumschlagen."

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