Als er zu lesen beginnt, hören ihm rund 1200 Gäste wie gebannt zu. Viele von ihnen kennen seine Stimme bislang nicht, seine Geschichten aber fast auswendig. Am Samstagabend auf der Frankfurter Buchmesse hat Bestsellerautor Dan Brown seinen neuen Thriller "Origin" vorgestellt. Es war die deutschlandweit einzige Lesung mit dem US-amerikanischen Autor, der weltweit über 200 Millionen Bücher in über 56 Sprachen verkauft hat.

Dass sich der 53-Jährige sonst eher aus der Öffentlichkeit zurückzieht und nur selten Interviews gibt, merkt man ihm bei seinem Auftritt nicht an. Im Gegenteil: Im dunkelblauen Anzug und rosa Hemd lehnt er sich entspannt in das schwarze Ledersofa zurück, das auf der angestrahlten Bühne steht. Während er über seinen neuen Thriller "Origin" (Bastei Lübbe, 668 Seiten, 28 Euro) spricht, scheint er sich sichtlich wohlzufühlen.

Auf den Roman, der mit einer deutschen Erstauflage von 600 000 Büchern erschien, warteten Brown-Fans knapp vier Jahre lang – nach dem Erfolg von "Sakrileg" im Jahr 2003 folgte aus der Reihe zuletzt "Inferno". Auch in "Origin" folgt Brown seinem bewährten Muster: Er kreiert ein Zusammenspiel aus Kunst, Religion und Wissenschaft und lässt seinen Romanhelden Robert Langdon Codes und Rätsel knacken. "Im neuesten Buch ist die Religionskritik aber viel stärker", erklärt Brown. Denn in "Origin" kritisiert der Amerikaner nicht nur den Vatikan, sondern stellt die Religion an sich infrage. Das Buch geht der Frage nach, ob "Gott die Wissenschaft überlebt".

 "Robert Langdon macht erst mal Urlaub"

In der Vergangenheit habe das bislang kein Gott geschafft, behauptet Brown. "Früher hatten wir ein ganzes Pantheon an Göttern, um die Welt zu erklären", fügt er hinzu. Der Gott mit Macht über Ebbe und Flut war beispielsweise Poseidon. Doch als die Wissenschaft erklärte, warum sich das Meerwasser bewegt, verlor Poseidon seine Macht. "Der Roman fragt, ob es nicht naiv sei zu denken, dass die heutigen Götter in hundert Jahren noch da sind", sagt Brown.

Mit dem Gegensatz von Wissenschaft und Religion beschäftigt Brown sich seit seiner Kindheit. "Meine Mutter war sehr religiös und mein Vater Mathematiker", sagt er. Brown selbst bezeichnet sich selbst als "nicht anti-religiös". Er glaubt, dass Religion eine wichtige Funktion habe. "Sie gibt ein moralisches Konzept vor und ist eine Stütze für viele Menschen." Sie dürfe aber nicht den Anspruch erheben, dass nur ihre Überzeugungen wahr seien, warnt er.

In "Origin" greift Brown technologische Zukunftsvisionen auf: Der Harvard-Professor und Symbolforscher Robert Langdon erhält Unterstützung von "Winston", einer künstlichen Intelligenz. Der Blick auf die Technik sei in "Origin" keinesfalls naiv, erklärte Brown. Er habe mit vielen Experten gesprochen, und es gebe viele Sichtweisen, sagte er. Kritisch sieht Brown selbst vor allem den schnellen technologischen Wandel: "Meine größte Sorge ist, dass wir mit diesem nicht Schritt halten können, sodass wir die Technologie nicht mehr hinterfragen."

Fakten und Fiktionen

Um die Religion und die Wissenschaft an einem Ort zu vereinen, spielt "Origin" im spanischen Barcelona. "Nirgendwo anders mischt sich das Traditionelle so sehr mit der Zukunft", erklärt Brown. Die Orte in seinen Büchern seien besonders wichtig. "Sie brauchen Dramatik und Charakter", betont er. Deshalb reist Brown, bevor er die Orte in seinen Romanen einbindet, immer persönlich an die Orte. In Barcelona habe er bei seiner Recherche für "Origin" in der Kirche Sagrada Familia eine besondere Wendeltreppe entdeckt. "Die hat danach geschrien, dass jemand dort stirbt", sagt der Amerikaner, der sich als Europa-Fan outete. Browns Thriller spielten bereits in Paris, Vatikan-Stadt, Rom und Istanbul.

Der Autor stand nach seinem weltweiten Erfolg mit "Sakrileg" häufig in der Kritik. Wissenschaftler bemängelten seine Schlussfolgerungen, da er Fiktion mit Fakten vermenge. Italiens Kirche verurteilte Browns ersten Bestseller.

Seine deutschen Fans zeigen sich in den anderthalb Stunden in Frankfurt von Brown beeindruckt. Menschen unterschiedlichen Alters applaudieren begeistert und lachen über seine Witze; der Autor beantwortet jede Frage des Interviews charmant. Ob es nach "Origin" noch weitere Bücher mit Symbolforscher Langdon geben werde, verrät er jedoch nicht. Stattdessen sagt er: "Robert Langdon macht jetzt erst mal Urlaub."