In ihrem Alltag als Altenheim- und Klinikseelsorgerin in Bad Tölz trifft Elisabeth Hartenstein immer wieder auch auf Menschen, die Suizidgedanken hegen. Wie geht sie damit um? Über ihre Erfahrungen diskutiert die Pfarrerin am Donnerstag (28. Oktober) mit Reiner Anselm, Professor für Systematische Theologie und Ethik und der Palliativmedizinerin Claudia Bausewein bei der Podiumsdiskussion "Wenn Menschen sterben wollen" in der Evangelischen Stadtakademie München.

Frau Hartenstein, wann äußern Menschen in der Seelsorge Ihnen gegenüber Suizidgedanken?

Elisabeth Hartenstein: Häufig passiert das, wenn Menschen eine extrem schwere Diagnose bekommen und wenn unklar ist, wie sich alles entwickelt. Sie haben Angst vor Schmerz, vor Abhängigkeit oder davor, allein gelassen zu sein. Dann sagen sie: Das kann ich mir so nicht vorstellen. In der Seelsorge versuchen wir zu fragen, was einen Sterbewunsch ändern, was die Situation erträglicher machen könnte. Besonders wichtig ist dabei eine gute medizinische Betreuung, aber auch ein soziales Beziehungsnetz.

Können Sie als Seelsorgerin einen Wunsch nach Suizid denn stehen lassen?

Hartenstein: Es gibt Situationen, in denen das Leben unerträglich erscheint, da darf ich als Pfarrerin nicht urteilen. Wir gehen in der Seelsorge sehr offen mit Suizidgedanken um. Wir versuchen zu erfragen, was die Menschen bewegt, was ihren Wunsch vielleicht ändern oder aufweichen könnte. Aber wenn jemand ganz allein ist, können wir das fehlende soziale Netz nicht kompensieren. Es ist gut, dass viele Altenheime jetzt mehr Angebote machen, weil sie gesehen haben, wie sehr die Senioren während der Pandemie gelitten haben.

"Das Sterben gehört zum Leben dazu."

Was wäre nötig, um einen Sterbewunsch zu ändern?

Hartenstein: Im Gespräch bleiben, Offenheit signalisieren, Ängste nehmen, Schmerzen erträglich halten. In der Intensivmedizin spielt heute - anders als in den 1980er-Jahren - der Patientenwille eine große Rolle, das halte ich für extrem wichtig. Denn das Sterben gehört zum Leben dazu.