Ich habe nur ein kleines Problem, das aber vielleicht auch andere Frauen – wie ich im fortgeschrittenen Rentenalter – beschäftigt: Ich kann nicht richtig faulenzen.

Ich bin noch rüstig genug, um mich auf allen möglichen Gebieten – Hobbys und Ehrenämtern – zu betätigen. Diese freiwillige Arbeit macht mir viel Freude. Aber an so schönen Tagen wie in letzter Zeit möchte ich mich so richtig "in den Tag hineinfallen lassen", mich im Liegestuhl ausstrecken und den "Herrgott einen guten Mann sein lassen". Aber schon meldet sich im Inneren eine mahnende Stimme: Ich kann doch nicht einfach GAR NICHTS TUN, wo so viele andere arbeiten oder einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen.

Vielleicht steckt in uns älteren Frauen noch immer die Vorstellung von Schillers "züchtiger Hausfrau" in seiner "Glocke": "…. Und reget ohn Ende die fleißigen Hände und ruhet nimmer". Die arme Frau! Natürlich nehme ich mir meine Auszeit und tue gar nichts. Aber mit nicht ganz reinem Gewissen.

Frau F.

Die Klassiker haben sich offensichtlich gerne mit der Frage beschäftigt, die auch Sie umtreibt. Lessing hat sogar ein Gedicht darüber geschrieben. Unter dem Titel "Lob der Faulheit" schildert er, wie er sich so Mühe gibt mit dem Gedicht (und dem Faulsein), dass er davon ganz müde wird: Höchstes Gut! wer dich nur hat / Dessen ungestörtes Leben / Wird – ich gähn – ich werde matt – / Nu – so – magst Du mir vergeben, / Dass ich dich nicht loben kann; / Du verhinderst mich ja dran.

Faulsein macht offensichtlich wirklich Mühe.

Aber eigentlich gehört das, wonach Sie suchen, zum ganz normalen Leben. Jedes Musikstück, auch das allereinfachste, lebt davon, dass es Pausen gibt. Ohne diese Pausen wäre weder der Rhythmus der Musik noch der Rhythmus des Lebens erkennbar.

Das gilt für alle Menschen, Frauen und Männer, Kinder und Alte, Berufstätige und welche, die gerade nicht arbeiten können.

Wie wäre es, wenn Sie Ihren Tagesrhythmus oder Ihren Wochenrhythmus wie ein wunderbares Musikstück betrachten, das schnelle und langsame Passagen hat, verzögerte Einsätze, Mehrstimmigkeiten und Dissonanzen. Und Pausen – in denen all der Reichtum der Klänge sich zueinander in ein sinnvolles Verhältnis setzt.

Vielleicht hilft Ihnen das, sich selbst die Erlaubnis zu geben, die Pausen, die Sie ja zum Beispiel beim Musizieren ganz selbstverständlich beachten würden, zu machen?

Und wenn Ihnen das mit der Musik nicht so einleuchtet, dann ist der menschliche Atem auch ein wunderbares Beispiel.

Denn auch beim Atmen sind wir nicht einfach nur ständig aktiv mit Ein- und Ausatmen beschäftigt. Ohne die winzige Pause dazwischen wäre das Atmen völlig unmöglich. Erst in dieser Pause spüren wir den Impuls, wieder ein- bzw. auszuatmen.

Die Atempause ist also nichts, was wir uns mühsam irgendwann einmal gönnen, obwohl wir doch eigentlich so viel zu tun haben und immer ein schlechtes Gewissen. Es ist der Spiegel der ganz alltäglichen und lebensnotwendigen Atem-Pause, jenes Ruhemoments im Rhythmus des Lebens.