Ernest van der Kwast trifft in 60 Kurzgeschichten Menschen aus seiner Heimatstadt, die unterschiedlicher nicht sein könnten und dennoch eins gemeinsam haben: Sie prägen oder prägten Rotterdam.

Was macht ein Frittürologe?

So trifft er beispielsweise einen Frittürologen. Sie wissen nicht, was das ist? Nun, John Schipper ist so einer. Seine Waffen sind Schäuffelchen und Pommes-Frites-Schneider. Sein Institut steht auf dem Schouwburgplein und zwar seit 1979. Seitdem schneidet er dort Kartoffeln zu Fritten. Auch wenn der Platz schon öfters umgestaltet wurde – John Schripper ist die Konstante auf dem Platz im Herzen Rotterdams.

Wer schon einmal in den Niederlanden war, weiß, dass es dort so ziemlich alles frittiert gibt. Mein persönliches Highlight waren Bitterballen in einem Café in Maastricht. Auch ansonsten bin ich in heißes Fett geworfenen Speisen nicht abgeneigt und sollte es mich hoffentlich bald nach Rotterdam verschlagen, werde ich auf jeden Fall der Bude von John Schipper einen Besuch abstatten.

Van der Kwast trifft auch Dilly van der Padt, die in einem Laden arbeitet, der Stoffe und andere Nähwaren führt und der von vielen Walhalla genannt wird.

"Sie ist wahrscheinlich die einzige Frau in den Niederlanden, die nicht nur einhundertfünfzig Handarbeitstechniken beherrscht, sondern auch ein Diplom in Flachdach-Technik hat."

Meine Lieblingsgeschichte

Ich kann mich gar nicht für eine Lieblingsperson entscheiden, aber Richard de Waardt ist auf jeden Fall eine von ihnen. Er spielt zweimal die Woche das Glockenspiel der Laurenskerk. Diese Kirche ist das einzige Gebäude von Rotterdam, das noch aus dem Mittelalter stammt. Sie ist außerdem Teil der Nagelkreuzgemeinschaft.

Zweimal pro Woche steigt Richard de Waardt also 361 Stufen den Turm nach oben. Dort befindet sich der Spieltisch, von dem aus der die Glocken bedient.

"Es ist märchenhaft. Die Stadt hat einen Turm mit einem mechanischen Spielwerk. Und im Stockwerk darüber sitzt der Magier. Er spielt auf Socken."

Ebenso märchenhaft ist das Bild, das Ernest van der Kwast von der Stadt Rotterdam selbst zeichnet. Beim Lesen hat man das Gefühl, schon einen großen Teil der Stadt zu kennen, auch wenn man noch keinen Fuß hineingesetzt hat. Das Buch sollte auf keinen Fall in einem großen Happen verschlungen, sondern in kleinen Dosen genossen werden. Vielleicht kann die Lektüre sogar mit einem Besuch Rotterdams verbunden werden.

Eine literatische Auszeit

Die Geschichten leben oft vom Verhältnis der Gegenwart zur Vergangenheit. Es geht oft um Familientradition, um Geschichte und verschiedener Teile der Stadt. Die "gute alte Zeit" eben, ohne, dass der Autor diese Formulierung selbst in den Mund nimmt.

Davon abgesehen ist "Versteckte Wunder" eine schöne Sammlung an kleinen Geschichten. Der Blick wird bewusst auf verschiedene Menschen in Rotterdam gelegt, die jede*r auf ihre oder seine Weise die Stadt prägen oder geprägt haben. Die Geschichten verschaffen eine geistige Auszeit, die wir gerade sicher alle nötig haben.