Meine Tradition hat uns wirklich mehr versprochen!
Ein Leben vor dem Tod, gerechtes Handeln und die Verbundenheit mit allem, was lebt, die Wölfe neben den Lämmern und Gott nicht oben und nicht später, sondern jetzt und hier. Bei uns, in uns.
Gott ist der Grund des Lebens: Gott hat den Atem des Lebens in die Menschheit gehaucht. Wenn wir uns vor Gott hinter unseren vielen Gütern verstecken, sodass Gott uns nicht berühren kann, dann sterben wir den gestreckten Tod der Mittelklasse, der auch die Eliten in der "Dritten Welt" trifft.
Kennen Sie das? Sie sitzen allein im Auto und stehen im Stau. Für Dorothee Sölle war das ein Bild für den "gestreckten Tod der Mittelklasse". Lauter einzelne Personen in ihrer Blechschachtel – unverbunden und im Stillstand.
Nicht nur deshalb fahre ich Fahrrad. Neben der Bewegung geht es mir auch um einen Lebensstil, der nachhaltig ist. Dabei ist mir bewusst, dass ich beständig Kompromisse eingehe und mein Beitrag zur Heilung der Welt klein ist.
Dennoch, das habe ich von meiner Gotteslehrerin gelernt: Jeder kleine Beitrag zählt. Es ist besser, an mindestens einer Stelle anzufangen, als die Situation nur kritisch zu analysieren. Das ist übrigens auch das Geheimnis der Hoffnungskraft.
Wer sich einlässt auf Gott – auf die Tausenden von Toten im Mittelmeer, den Hambacher Forst, die deutsche Waffenexporte –, die leidet unter dem Fehlen Gottes im Alltag, in unserer Politik. Und sie versucht, das "stille Geschrei", wie Sölle Gott einmal nennt, wahrzunehmen.
Der lange Atem dafür kommt aus dem Vertrauen, dass jede und jeder in den Namen Gottes eingeschrieben ist, schon eine Gefundene, ein Gefundener ist. Wir können Teil der Bewegung des Göttlichen sein in der Welt, verletzlich, lebendig und glücklich.
"Atem Gottes hauch mich an / füll du mich wieder mit leben / dass ich was du liebst lieben kann / und rette was du gegeben."